Woran denkt ihr bei Ghibli? An Hayao Miyazaki und Isao Takahata? An Totoro und Nausicaa? Oder an das Ende einer Ära, den missglückten Übergang auf eine neue Generation? Die – zugegeben – netten, aber – leider – nicht wegweisenden Ausflüge ins 3D-Genre? Die zu großen Stiefel, die Hayao seinem Sohn Goro hinterlassen hat? Vieles kann einem durch den Kopf gehen, aber am Ende bleibt immer eines übrig: Studio Ghibli hat uns viele, viele schöne Stunden vor der Leinwand (und der Mattscheibe) verschafft. Und so sind wir nicht unbedingt unglücklich, dass Hayao Miyazaki zum wiederholten Male seinen Rückzug vom Rückzug verkündet und einen neuen Film produziert hat.
Zusammenfassung (aus filmstarts.de): Während eines Luftangriffs auf Tokio kommt die Mutter des zwölf Jahre alten Jungen Mahito Maki (Stimme im japanischen Original: Soma Santoki) ums Leben. Als sein Vater daraufhin die jüngere Schwester seiner verstorbenen Frau heiratet und mir seiner Familie aus der Stadt aufs Land zieht, beginnt für Mahito eine schwere Zeit. Dieser kann sich mit der neuen Familiensituation nämlich überhaupt nicht anfreunden. Schon bald stößt er auf einen mysteriösen Turm und einen sprechenden Graureiher (Masaki Suda), der ihm überraschenderweise verkündet, dass seine Mutter noch am Leben ist und in diesem eigenartigen Bauwerk gefangen gehalten wird. Als dann auch noch Mahitos Stiefmutter verschwindet, macht sich der junge Abenteurer auf den Weg zu dem geheimnisvollen Turm. Dabei entdeckt er eine magische Welt voller fantastischer Kreaturen. Doch auf seiner Reise lauern auch ein paar Gefahren auf Mahito…
Nein, in meinen Augen ist „Der Junge und der Reiher“ kein Ghibli-Meisterwerk, wie ich es von früher gewohnt bin. Den Zeichenstil kenne ich jetzt zur Genüge, und in alten Werken weiß ich ihn wirklich immer wieder zu schätzen – weil damit Erinnerungen verbunden sind. Die alte Hexe von „Chihiros Reise ins Zauberland“ war ein einmaliger Charakter; wenn ich sie gleich siebenmal präsentiert bekomme, ist das im ersten Moment etwas gewöhnungsbedürftig. Miyazaki gleicht das allerdings durch einzigartige Persönlichkeiten und Bewegungen wieder aus – gut gerettet. Die Geister sind auch nicht wirklich neu, man hat immer das Gefühl, es schonmal irgendwo gesehen zu haben. Ist der Film also nur ein Aufwasch, ein Versuch, mit Altbekanntem Geld zu machen? Wer es so sieht, der liegt falsch. Das Geheimnis liegt in der Geschichte.
Ohne zuviel verraten zu wollen – und weil es für Fans sicherlich kein Geheimnis ist: Der Film ist eine Hommage an Studio Ghibli, es zeigt all die Dinge, die wir daran lieben und bewundern. Es ist wie ein letzter Aufmarsch, eine Parade von Erinnerungen. Und der Film zeigt wahrscheinlich auch, was mit den Studio in Zukunft passieren wird – oder zumindest passieren könnte. Mehr will ich hier nicht verraten, aber der Meister hat eine Allegorie eingebaut, die ein echter Fan sicherlich erkennen wird. Und noch eine Anspielung: Die sieben alten Damen ähneln doch zu sehr den sieben Zwergen, und eine der Hauptfiguren wird wie Schneewittchen in einem Pseudo-Sarg durch die Gegend getragen – ein kleiner Querverweis darauf vielleicht, dass die großen japanischen Animatoren sich von Walt Disneys erstem abendfüllendem Trickfilm dazu haben inspirieren lassen, selbst großartige Werke zu schaffen. Und noch etwas fällt auf: Der Film ist rätselhafter als seine Vorgänger, philosophischer. Man muss genauer hinschauen, mehr mitdenken, um alles zu verstehen. Manches erkannten wir erst, als wir nach dem Verlassen des Kinos darüber miteinander diskutierten (ich war mit Familie im Film). Und einiges ist wohl noch versteckt, und ich werde es später finden müssen, wenn ich den Film noch einmal schaue.
Mein Fazit: Wer einen schönen alten Abenteuerfilm sehen möchte, sollte sich einen der alten Ghibli-Filme noch einmal anschauen. Ist ja auch kein Schaden, es sind immer noch Meisterwerke. Wer Miyazakis womöglich letzte Botschaft an seine Fans sehen möchte, ist in diesem Film sehr gut aufgehoben.
Da kriege ich gleich Lust ihn selbst zu sehen.
Hoffentlich kommt er bald auch hier in der Nähe in die Kinos.
Hab bis jetzt noch nichts gesehen oder gehört.
Danke,