Meteor näherte sich dem Planeten stetig. Die sengende Hitze des riesigen Felsens war bereits dabei, die obersten Ebenen von Midgar zu verschlingen. Darunter konnte Holy, dessen Energiebündel langsam schwächer wurden, das Unausweichliche kaum aufhalten.
Und dann geschah das Wunder.
Cid bemerkte es als Erster. »Was zur Hölle ist das?«
Die anderen Mitglieder von Avalanche blickten in die Richtung, in die Cid deutete, und sahen es ebenfalls.
Der Lebensstrom.
Die winzigen, glitzernden Lichtbänder stiegen aus dem Planeten auf. Sie wogten durch die Slums von Midgar, wo Kinder an die Fenster stürzten um sie besser zu sehen; eines streckte sogar die Hand aus, um die leuchtenden Fäden zu streicheln. Sie fegten hinauf in das sich zersetzende Symbol von Macht, Gier und Zerstörung, das man als Oberes Midgar kannte. Sie wirbelten um Holy herum, das kurz davor stand, völlig zusammenzubrechen. Und sie begannen, Meteor anzugreifen.
Alle sahen zu und hielten den Atem an, als der Lebensstrom Meteor umgab und begann, ihn Stück für Stück auseinanderzunehmen. Der Lärm dieses Kampfes zwischen der Essenz des Lebens und dem Boten des Todes klang wie das Brüllen eines verwundeten Tiers. Meteor bebte und verformte sich unter dem unaufhörlichen Ansturm von Aeris‘ Gebet.
Und dann verschwand Meteor in einer letzen Explosion.
Stille.
Schließlich wurde es allen klar: der Planet war gerettet.
»Ja!« schrie Cloud.
»Bravo!« brüllte Barret und streckte seine künstlichen Arm gen Himmel.
»Ich blaub’s nicht!« Tifa sprang Cloud in die Arme und drückte ihn fest an sich.
»Oh, Yeah!« jubelte Cid, und gab voller Triumph Yuffie einen High Five, ihre Streitereien für einen Moment vergessen.
»Yahoo!« Sowohl die Katze als auch ihr riesiges, ferngesteuertes Reittier führten einen extatischen Tanz auf.
Red und Vincent sahen stumm zu, jeder in seine Gedanken versunken.
Wir haben nicht umsonst gekämpft… Eine Freudenträne verließ das übriggebliebene Auge des Löwen.
Lucresia… Du bist gerächt… Vincent legte eine Hand auf seine Waffe.
— 6 Monate später —
Tifa atmete tief ein und ließ die süße Frühlingsluft von Nibelheim ihre Lungen füllen. Sie lächelte, nicht nur wegen des schönen Wetters, auch wegen der Erinnerung an die Zeit mit Cloud. Nachdem Meteor besiegt war, war er viel offener geworden. Während sie ihre geliebte Heimtstadt wieder aufbauten und die Flüchtlinge aus anderen Städten dazu überredeten, darin zu wohnen, fand sich Tifa immer mehr zu Cloud hingezogen.
Cloud setzte sich neben Tifa und schreckte sie aus ihren Gedanken auf. »Tifa?«
»Ja?«
Cloud errötete etwas. »Da ist etwas, das ich dich fragen möchte.«
Tifas Herz begann zu rasen. Sie traute sich nicht ganz, zu hoffen, aber sie zitterte trotzdem vor Erwartung. »Was ist es?«
Cloud griff in seine Tasche.
Oh mein Gott… wird er wirklich…?
Cloud hielt ihr einen wunderschönen Ring entgegen. »Tifa, willst Du mich heiraten?«
»Oh, Cloud!« Tifa sah ihm in die Augen.
Und erstarrte.
Für einen kurzen, aber absolut furchtbaren Augenblick waren Clouds Augen grün.
Wie die von Sephiroth.
»Tifa?« fragte Cloud, der offenbar Tifas Schrecken nicht bemerkte. Seine Mako-blauen Augen musterten sie verwirrt.
Tifa zwang sich, ruhig zu bleiben. Es war nur eine Halluzination, sagte sie sich immer und immer wieder. Der Streß im Kampf gegen Sephiroth und die beinahe Zerstörung des Planeten hatte sie alle schwer belastet, sie selbst war keine Ausnahme.
Cloud streichelte Tifas Gesicht. »Bist Du in Ordnung?«
»Mir geht’s gut,« Tifa schaffte es, zu lächeln. »Ich hab‘ nur fast kalte Füße gekriegt, das ist alles.«
Cloud lächelte ebenfalls. »Heißt das, daß Du mich heiraten wirst?«
Tifa küßte ihn sanft auf die Nase. »Natürlich.«
— Später —
Tifa stand auf einer riesigen Wiese voller Blumen.
»Hallo, Tifa!«
Tifa drehte sich um und sah Cloud auf sich zurennen. »Hi, Cloud, was ist los?«
Could grinste und holte einen Blumenstrauß hinter seinem Rücken hervor.
»Wie süß von dir!« Tifa kam Cloud entgegen und umarmte ihn. Plötzlich spürte sie etwas in ihrem Bauch. Sie blickte nach unten und sah ein Messer daraus hervor ragen.
Cloud hielt es.
»Cloud…« würgte sie hervor.
Clouds Grinsen wurde bösartig, als er sie mit den Augen des Dämonen, der versucht hatte, ihr Leben zu zerstören, ansah. »Geschieht dir recht.«
»W-Wie?«
Das Grinsen der Mischung aus Cloud und Sephiroth wurde breiter. »Einfach. Da Cloud mich unbedingt besiegen wollte, schenkte ich ihm den Triumph und versteckte mich in ihm, als er dachte, es sei vorbei. Der arme Narr hatte keine Ahnung, zu welchem Schicksal er sich verdammt hatte.«
Tifa knirschte mit den Zähnen als Cloud/Sephiroth das Messer mit einer brutalen Drehung herauszog; sie fühlte, wie sie durch den Blutverlust das Bewußtsein verlor. »Du… verdammter…«
»Das schmerzt mich aber,« schmollte Could/Sephiroth hämisch. Er hielt die fast bewußtlose Tifa am Kragen fest. »Wenn Du Aeris in der Hölle triffst, sag ihr, daß es mir nicht annähernd so viel Spaß gemacht hat, sie zu töten, wie bei dir.«
Er ließ sie zu Boden fallen und hob das Messer. Tifa schrie lautlos, als die schimmernde Waffe auf sie zukam.
Tifa fuhr laut keuchend hoch, ihr Gesicht schweißüberströmt. Neben ihr schnarchte Cloud.
»Es war nur ein Traum…« flüsterte sie.
Doch war es das wirklich? Die Details waren allzu real. Besonders der Stich. Und dieser unbarmherzige, gefühllose Ausdruck in Clouds Augen. Die grünen Augen. Tifa schauderte, als sie sich daran erinnerte.
Cloud war ein wundervoller Ehemann: abgesehen davon, daß er im Bett ausgesprochen leidenschaftlich war, half er Tifa bei der Hausarbeit, gab ihr spontan Umarmungen, Küsse und Blumensträuße und wenn sie sich doch einmal stritten war er fast immer der Erste, der sich entschuldigte.
Doch hin und wieder wurde Tifa von unerklärlichen, unkontrollierbaren Panikanfällen gepackt, bei denen sie Sephiroth aus Clouds Augen blicken sah, und alles was sie dann wollte war so weit wie möglich von Cloud weg zu kommen. Immer wenn es vorbei war hatte sie Schuldgefühle, weil sie Cloud Sorgen bereitete, und sie versuchte, es zu vergessen.
Aber sie konnte die Gedanken nicht aus ihrem Kopf bekommen, obwohl Cloud ihr wiederholt versichert hatte, daß er Sephiroth getötet hatte. Diese Momente der Angst waren der einzige dunkle Fleck in Tifas Leben mit Cloud, und sie haßte sie.
Warum kann ich die Vergangenheit nicht einfach ruhen lassen? fragte sie sich.
»Weil die Vergangenheit gerade zurückgekehrt ist,« sagte eine erschreckend bekannte Stimme, die gleiche, die Tifa in ihrem Traum gehört hatte.
Sephiroth. Tifas sämtliche Nerven waren zum Zerreißen gespannt. »Wo bist Du?«
Sephiroths Stimme lachte und ließ Tifas Blut erstarren. »In deinem geliebten Cloud, natürlich. Das war kein Traum, das war deine Zukunft,« Er machte eine Pause, um es wirken zu lassen. »Aber du kannst sie jederzeit verändern.«
»Wie?«
Tifa konnte Sephiroths Lächeln geradezu hören. »Du weißt wie,« antwortete er, als würde er es einem kleinen Kind erklären.
»Nein!« rief Tifa, in einem Versuch, die Wellen der Hilflosigkeit zu unterdrücken. »Das hier ist nicht real!«
»Natürlich ist es das. Genau wie damals, als Cloud fast Aeris für mich umgebracht hat. Allerdings hat er damals wiederstanden, so daß ich es selbst tun mußte,« Sephiroth spuckte den letzten Teil aus, als wäre er etwas Schmutziges. »Aber diesmal wird Cloud nur zuschauen können, wie ich seinen Körper benutze um dich zu töten. Und dann überlasse ich ihm vielleicht wieder die Kontrolle, damit er voller Schmerz und Verzweiflung sein eigenes Leben beenden kann.«
»Hör auf!« schrie Tifa, und umklammerte ihren Kopf mit beiden Händen. »Sei ruhig, verdammt!«
Durch diesen Schrei wachte Cloud schließlich auf. »Tifa? Was ist los?«
Tifa begann zu schluchzen. »Hör auf…«
Ein verwirrter Cloud legte seine Arme um sie. »Womit?«
Sie brach in seinen Armen zusammen. »Es war furchtbar!« Der Rest ihrer Worte löste sich in unkontrollierbarem Weinen auf.
»Es war… wieder das, nicht wahr?« flüsterte Cloud.
Tifa konnte nur nicken.
Er seufzte. »Es ist schon ein ganzes Jahr her, Tifa.«
Sie atmete tief ein, und ihr Schluchzen wurde schwächer. »Ich weiß. Aber ich habe noch immer solche Angst, dich zu verlieren…«
Ich habe versprochen, dich zu beschützen, oder?« Cloud umarmte Tifa noch fester. »Vertrau mir. Alles wird gut werden.«
— Der nächste Abend —
Tifa schnitt Karotten fürs Abendessen und beobachtete Cloud nervös aus ihren Augenwinkeln.
»Du wirst mich nicht aufhalten können,« reizte sie Sephiroths Stimme. »Du bist zu weichherzig, um ihm weh zu tun«
Sie versuchte, die höhnische Stimme zu ignoieren. Es funktionierte nicht.
»Nachdem ich mit dir fertig bin, nehme ich mir die Anderen vor,« fuhr Sephiroth genüßlich fort, wie eine Katze es genießt, mit ihrer Beute zu spielen, und ihr Opfer das wissen läßt. »Ich werde sie Stück für Stück auseinander nehmen. Oder vielleicht bin ich nett und erledige sie mit einem einzigen Schuß.«
Tifa umklammerte das Messer fester.
»Bist Du in Ordnung, Tifa?« fragte Cloud besorgt.
»Mir geht’s gut…« Sie wandte sich ihm zu, und umklammerte das Messer noch fester
Clouds Augen waren wieder grün.
»Was wirst Du tun, Tifa?« Nun war die Stimme, die aus Clouds Mund kam, unverkennbar die von Sephiroth. »Mich erstechen?«
Tifa fühlte ihre Wut aufsteigen. Sie legte das Messer auf den Tisch hinter sich und ballte ihre Fäuste. »Ich warne dich…«
»ich warte,« Sephiroth stand da, im Körper des Mannes, den Tifa liebte.
Sie hatte genug. Sie sah nicht mehr Cloud. Nur diese furchtbaren Augen. nur Sephiroth. Und sie würde Sephiroth nicht noch einmal gewähren lassen. Nicht jetzt. Niemals. Mit einem lauten Kampfschrei bündelte sie all ihre Wut in ihr bestes Limit.
Sephiroth, völlig überrascht, konnte nicht einmal blocken und nocht viel weniger zurückschlagen als Tifa auf ihn zusprang und mit der Attacke begann. Er fühlte wie sich »seine« Glieder bogen und Knochen brachen, als Tifa ihn immer und immer wider mit Schlägen und Tritten traf. Sie beendete die Kombination mit einem vernichtenden Wurf. Als sie schließlich zurücksprang war sie völlig außer Atem.
Aber Sephiroth bewegte sich noch.
Tifas Kinnlade kippte nach unten.
»Beeindruckend. Ich hätte wirklich nicht gedacht, daß Du das Zeug dazu hast,« Sephiroth stand langsam auf und spuckte eine Mundvoll Blut aus. »Zu schade daß Du es nicht zu Ende bringen können wirst.«
Mit einer Handbewegung beschwor Sephiroth das Murasame herbei.
Und dann flüsterte er ein Wort, daß jegliche Hoffnung Tifas auslöschte.
»Omnislash.«
— Woanders —
Vincent fühlte sein Herz mit solcher Kraft pochen, daß es ihm aus der Kehle zu springen schien. Das Glas, aus dem er trank, zersplitterte in seiner Hand.
Das ist schlimmm, dachte er grimmig. Das letzte Mal, als er diese Vorahnung von unmittelbar bevorstehendem Unheil gehabt hatte, hatte Sephiroth Aeris ermordet.
Aber Cloud hatte Sephiroth getötet… oder?
»Scheiße!« Vincent stand plötzlich auf, warf seinen Stuhl um. Er zuckte zusammen, als der Schmerz der Glasscherben in seiner Hand schließlich von seinem Gehirn zur Kenntnis genommen wurde. Er riß eine Ecke von seinem Hemd ab und wickelte sie als provisorische Bandage um seine Hand. Er würde später Zeit haben, die Wunde richtig zu versorgen; nun mußte er sich erst um etwas wichtigeres kümmern.
— Inzwischen —
Sephiroth beendete die letzten Bewegungen des Omnislash ohne sich darum zu scheren daß er seine Gegnerin schon vor vier oder fünf Schlägen in Stücke zerhackt hatte. Er war wütend, auf sich selbst, weil er sie unterschätzt hatte, und auf Tifa, weil sie es tatsächlich geschafft hatte, ihn zu verletzen.
»Blöder Cloud,« murmelte Sephiroth und betrachtete die blutigen Hände seines Wirtes. Er zog eine Grimasse als seine Verletzungen sich unhöflicherweise als unnachgebige, pulsierende Schmerzen bemerkbar machten. »Selbst in diesem Mako-verbesserten Körper bist du nicht annähernd so gut wie ich.«
Sephiroth hörte ein Geräusch hinter sich, und fuhr herum. Und lächelte, als er erkannte, wer in der Tür stand.
Vincent starrte mit offenem Mund, für eine ganze Weile. Nicht viel konnte ihm etwas anhaben, aber der Anblick des ganzen Blutes und der Teile von… wer immer es war Tifa, wahrscheinlich die über den Raum verstreut waren, sowie Clouds eigener Zustand, ließen ihm etwas übel werden.
Cloud mußte etwas gehört haben, denn er drehte sich zu Vincent um. Seine Mundwinkel krümmten sich leicht nach oben. »Oh, hallo, Vincent.«
Ein Schaudern lief über Vincents Rücken als er erkannte, daß der, der da vor ihm stand und zu ihm sprach, nicht Cloud sondern Sephiroth war.
»Gefällt dir mein Werk?« Sephiroth gestikulierte in Richtung der Überbleibsel von Tifa. »Weckt alte Erinnerungen, nicht wahr?«
»Ich bin nicht mehr das Monster, das in Deinem kleinen Horrorkeller schlief, Sephiroth. Wir beide wissen das!«
Sephiroth kicherte. »Natürlich nicht, Vincent. Aber es ist so einfach, alte Dämonen aufzuwecken!«
Bei der Erwähnung des Wortes »Dämonen« wurde Vincents Gesichtsausdruck noch finsterer. »Es war Hojo, der mich dazu machte!«
»Aber du warst nicht gerade ein hilfloses Opfer, stimmt’s? Ich wette, es hat dir sogar Spaß gemacht.«
Vincent knurrte bei dieser Erinnerung an seine nicht gerade strahlende Vergangenheit. »Genug Gerede. Was willst du?«
»Was glaubst du, was ich will? Rache, natürlich.«
Vincent lud seine Death Penalty. »Ich werd’s nicht zulassen.«
Sephiroth lachte, ein langes und häßliches Geräusch. »Du willst mich erschießen? Ich habe solche Angst.«
Mit einem unmenschlichen Brüllen stürzte sich Vincent auf Sephiroth.
— Viel Später —
Vincent wischte das Blut von seinem Mund. Verdammt. Hab‘ vergessen wie gut der Kleine war. Und daß er von Sephiroth besessen war hat es nicht gerade leichter gemacht. Wenn er nicht schon so zugerichtet gewesen wäre, hätter er vielleicht gewonnen.
Der Kampf war lang und brutal gewesen. Das Einzige, was Vincent geholfen hatte, waren die Verletzungen an Clouds Körper gewesen, die er unter Sephiroths Kontrolle erlitten hatte. Sie, und Vincents Fähigkeit… sich zu verwandeln.
Alte Dämonen, allerdings, dachte Vincent voller Bitterkeit. Ich kann nicht glauben, daß ich ihn tatsächlich beißen mußte. Bäh. Ich glaube, den Geschmack werde ich nie mehr aus meinem Mund waschen können.
Vincent betrachtete Clouds verstümmelte Leiche. Er fühlte sich irgendwie schuldig, da Cloud zu Bewußtsein gekommen war, kurz bevor er starb. Der Schock war noch immer auf seinem Gesicht eingefroren, egal wie Vincent versuchte, es zu verändern.
Vincent seufzte. Nun ja. Nicht mehr viel, was ich hier tun kann.
Er nahm die Schulterplatte von Clouds Arm ab und sammelte ein zerrissenes Hemd ein, das wohl Tifa gehörte. Er hatte nun die unangenehme Aufgabe, die Anderen zu informieren.
Ja. Er würde sie finden.
Die Würmer.
Vincent schüttelte kräftig seinen Kopf. Wo zur Hölle war das hergekommen?
Er stand auf und ging durch die Tür nach draußen.
Hätte er in einen Spiegel gesehen, hätte er entdeckt daß seine vorher rot gefärbte Iris dabei war, nach und nach einen anderen Farbton anzunehmen.
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Übersetzung: Michael Borgwardt