SATO Hiroshi war nur ein durchschnittlicher japanischer Angestellter. Er kam früh zur Arbeit, ging nach Hause zu seiner durchschnittlichen Frau und seinen zweikommafünf Kindern. Sein drittes Kind würde in zwei Monaten geboren werden, aber er hatte es schon geschafft, ihn für letztes Jahr von der Steuer abzusetzen. Hiroshi würde in ziemliche Schwierigkeiten kommen, wenn es ein Mädchen war.
Bei seiner Arbeit passierte nie etwas wirklich aufregendes. Er schob Akten umher, von einer Abteilung zur nächsten, ohne sich je darum zu kümmern, welche Existenzen er mit einem bedeutungslosen Annahme- oder Ablehnungsstempel zerstörte oder rettete. Was kümmerten ihn die Menschen, deren Daten seine Arbeit ausmachte? Sie hatten mehr Geld als er jemals zu sehen bekommen würde.
Als die Uhr sechs anzeigte, schaltete er seinen Computer aus und verließ sein winziges Büro. Er seufzte schwer, als er auf die Aufzüge zuging und tauschte mit seinen Kollegen ein müdes Lächeln aus. Nur wenige von ihnen kannten seinen Namen, und in noch weniger Fällen kannte er den ihren.
Als sich die Türen öffneten, schoben sie sich in den Aufzug und jemand drückte den Knopf für die Lobby. Einige Leute drückten ihn erneut als sie eintraten, also ob sie auf diese Weise schneller nach Hause kommen könnten. Ein Teil von Hiroshi wollte diese gottverdammten Knopfdrücker in der Hand eines Riesenroboters zermalmen, aber davon konnte er nur träumen.
Hiroshi war erfreut zu sehen daß Sana es geschafft hatte, sich noch in den Aufzug zu quetschen, und er versuchte, näher an sie zu kommen, aber wie üblich war Toma, das Arschloch, im Weg. Er schien immer irgendwie an Sana zu kleben. Ein größerer Teil von Hiroshi wollte Toma unter dem Fuß eines Riesenroboters zertreten, aber davon konnte er nur träumen.
Auch von Sana konnte er nur träumen wenn er heute nacht mit seiner Frau schlief, vorausgesetzt sie war in der Stimmung dazu. Er seufzte innerlich; es war nicht dasselbe. Seine Frau hatte nicht diese tollen, großen Möpse die Anime-Frauen hatten… die Sana hatte.
Die Türen öffneten sich und er machte sich zusammen mit den anderen Drohnen auf den Weg nach Hause. Während er genau wie all die anderen Büroangestellten in Richtung Bahnhof ging, hielt er plötzlich an. Nachdem einige Leute ihn angerempelt hatten, verließ er den Weg der Masse.
Er blickte das Kino auf der anderen Straßenseite an. Er konnte nicht glauben daß er fast vergessen hatte, daß heute der Film anlief. Er hatte Monate darauf gewartet und nun hatte er fast vergessen, ihn sich anzusehen. Seine Frau würde wütend sein, daß er zu spät zum Essen kam, aber er konnte nicht langer warten, er mußte diesen Film sehen. Anime war sein einziger Ausweg aus der Realität. Nun, Anime und seine Fantasien über Sana, aber die zählten ja nicht wirklich.
Er überquerte die Straße und kaufte eine Karte. Er fand noch einen Platz an der Seite und sah erwartungsvoll zur Leinwand auf. Es schien eine Ewigkeit zu sein bis die Lichter ausgingen und die halbe Stunde Werbung begann.
Hiroshi starrte geschockt auf die leere Leinwand. Das war es, worauf er so lange gewartet hatte? Das war es, was mit den Charakteren geschehen war, die er so zu lieben und zu hassen begonnen hatte? Die Animation war fantastisch, und für sich gesehen war es ein guter Film, aber er ließ ein leeres Gefühl in Hiroshis Magen zurück. Er hatte so viel mehr erwartet. Oder doch zumindest weniger Leichen.
Er verließ dern leeren Saal erst als die Platzanweiser nach der letzten Vorführung darauf bestanden. Das schlechte Gefühl war beim zweiten Ansehen nicht besser geworden. Er ging langsam zum Bahnhof und dachte weiter über den Film nach. Etwas in ihm sehnte sich nach Rache dafür, was die Schöpfer des Films getan hatten, aber Riesenroboter waren nicht gerade leicht zu bekommen. Er seufzte schwer, als er in den fast leeren Zug einstieg.
Als er wieder ausstieg sah er auf die uhr und fluchte leise. „Miaka wird mich dafür umbringen, so spät nach Hause zu kommen.“ Wieder wünschte er sich, er hätte einen Riesenroboter verfügbar um ihn vor seinem Leben zu retten.
Am nächsten Morgen ließ Hiroshi sich in seinem Büro nieder und legte seinen Kopf auf den Schreibtisch. Miaka hatte ihn gestern Nacht wirklich Saures gegeben, fast hatte er ihr zugetraut, ihn mit einem Holzhammer zu Tode zu prügeln. Aber so süß wie Akane war sie nicht.
„Sato! Wach auf und mach dich an die Arbeit!“ schnappte eine wütende Stimme.
Hiroshi zuckte zusammen und bemerkte Sana in der Tür zu seinem Büro. „Tut mir leid, Chefin. Ich war lange auf und habe einige Berichte durchgesehen,“ log er.
„Woran arbeitest du?“
Er überlegte fieberfhaft. „Äh. ich habe die Einnahmen einer Firma verfolgt und sie scheinen nicht mit dem von ihnen angegebenen Gewinn übereinzustimmen.“ Lüge Nummer zwei.
„Um wen handelt es sich?“
„Äh, ich habe noch keine endgültigen Ergebnisse und versuche noch, die Mutterfirma dranzukriegen, deswegen möchte ich lieber noch nichts sagen.“ Lüge Nummer drei.
Sana vermutete daß er log, entschied aber, ihm eine Chance zu geben. „Okay, laß much um Drei sehen, was Du hast.“
„Jawohl, Chefin.“
Die hochgewachsene Frau drehte sich um und verließ Hiroshis Büro. Nachdem ihre langen Beine aus seinem Blickfeld verschwunde waren, entspannte er sich endlich. Größtenteils jedenfalls.
Dann wurde ihm seine Situation klar. Wie würde er da herauskommen? Wenn er das vermasselte, würde er nie eine Chance bekommen, sie zu vernaschen. Vorausgesetzt natürlich, daß er überhaupt jemanls die geringste Chance gehabt hatte.
Er ging hinunter zum Archiv und verbrachte den Rest des Morgens damit, die Akten nach etwas ungewöhnlichen zu durchsuchen, mit dem er aus diesem Schlamassel herauskommen könnte. Als er eine Akte durchblätterte, fiel sein Blick auf einen Namen. Er grinste. Perfekt.
„Hier, bitte sehr. Diese Firma hat seit Jahren ihre Steuern hinterzogen. Wenn sie sich diese Spalte…“
„Ich kann lesen, Sato!!“ schnappte Sana und schlug ihre langen Beine übereinander während sie die Akte überflog.
Hiroshi schluckte und wartete nervös, bis sie fertig war.
„Gute Arbeit Hiroshi. Die haben das unglaublich gut versteckt. Wie zum Teufel bist du darauf gekommen, da nachzuforschen?“
Hiroshi lächelte. „Oh, nur so eine Ahnung.“
„Keine schlechte Ahnung,“ sagte Sana. Dann langte sie zur Gegensprechanlage. „Rumi, wir brauchen sofort ein komplettes Team an Buchprüfern.“
„Jawohl, Ms. Testero,“ antwortete die Sekretärin.
„Wirklich gute Arbeit. Hast Du Lust, das heute Abend mit mir bei Shin’s zu feiern?“ fragte Hiroshis Traumfrau.
„Liebend gerne.“ antwortete er.
Hiroshi ging die Straße entlang und grinste zufrieden; nicht gerade etwas, das er normalerweise nach der Arbeit tat. Im Geiste stellte er sich vor, wie ein riesiger lila Roboter die Zentrale eines gewissen Animestudios namens Gainax zertrampelte.
Er hatte vielleicht keinen Riesenroboter, aber er hatte die geballte Macht des Tokyoter Finanzamts hinter sich. Das war nicht ganz das gleiche wie ein Riesenroboter, aber eine Buchprüfung schien ihm eine passene Strafe dafür, was sie seinen Lieblingscharakteren in End of Evangleion angetan hatten. Verdammt, selbst den Charakteren, die er haßte, hätte er ein besseres Ende gewünscht. Nun, immerhin hatte Gendou das bekommen, was er verdient hatte
Und nun würde er endlich Sana ins Bett kriegen. Sein Leben war nun perfekt,
Er öffnete die Tür der Bar, die Sana genannt hatte und erstarrte als er sah, was ihn erwartete. Sana war da. Zusammen mit Towa und einer Menge Leute aus der Arbeit. „Häh?“
Als sie ihn eintreten sahen, fingen sie alle an, zu klatschen. „Glückwunsch, Hiroshi!“ begrüßte ihn Sana mit einem festen Händedruck.
„Ähm… Danke,“ antwortete Hiroshi als er seine leidenschaftliche Nacht mit Sana in Rauch aufgehen sah. Oh, naja… vielleicht konnte er ein paar Banken für eine Buchprüfung finden. Er war sich sicher, daß das Sana absolut scharf machen würde, und dann würde sie endlich ihm gehören. Ein paar Banken die Bankrott gingen würden schließlich niemandem schaden, oder?
Animationsfirma der Steurhinterziehung Angeklagt
(Yomiuri Shinbun vom 13. November 1998)
Wie am Donnerstag bekannt wurde, werden die Anime-Produktionsfirma Gainax, Schöpferin des beliebten „Neon Genesis Evangelion“ und ihr Präsident beschuldigt, 1,5 Milliarden Yen an Gewinnen nicht versteuert und damit Gewerbesteuern in Höhe von 560 Millionen hinterzogen zu haben.
Unseren Quellen zufolge hat Gainax die Steuerhinterziehung zugegeben und will nun eine korrigierte Steuererkärung einreichen.
Das Finanzamt Tokyo, das die Anklage bei der Tokyoter Staatsanwaltschaft beantragt hatte, durchsuchte am Donnerstag die Büros der Firma in Musahino, Tokyo.
Der Pressesprecher von Gainax verweigerte jeglichen Kommentar zu der Inspektion.
Gainax produziert Fernsehserien und Filme, sowie Software für Computerspiele.
Die Fernsehserie „Evangelion“ wurde durch ihre sechsmonatige Ausstrahlung ab Herbst 1995 sehr populär. Die Verkaufszahlen der Firma boomten nach dem Start des „Evangelion“ Kinofilms 1997, dem eine Compact Disc und weitere Artikel folgen.
Laut unseren Quellen verbuchte Gainax zwischen August 1995 und Juli 1997 Gewinne von über 2 Milliarden Yen, wovon durch Angabe überhöhter Produktionskosten nur 500 bis 600 Millionen versteuert wurden. Die Firma versteckte einen Teil des nicht versteuerten Geldes in einem Schließfach.
„Evangelion“ ist die Geschichte eines 14jährigen Jungen der in einem Tokyo des Jahres 2015 mit einem fliegenden Roboter namens Eva geheimnisvolle Gegner bekämpft. Die Behandlung von Themen wie Religion, Leben, Egoismus und Streit zwischen Eltern und ihren Kindern brachte dem Film große Beachtung sowie zahlreiche Fernseh- und Animationspreise ein.
Der Film endete ohne die wahre Identität des Roboters zu enthüllen – ein Ende, das unter den Fans Kontroversen auslöste. Ein Buch über den Roboter verkaufte sich ebenfalls sehr gut.
Der ältere Mann saß steif in seinem Stuhl. Im Licht der Lampe, die auf sein Gesicht gerichtet war, liefen ihm Schweißperlen über die Stirn. „Nein!!“
Hiroshi starrte ihn finster an. „Komm schon, Takeshi, tu’s einfach und Du kannst zu deiner hübschen Frau nach Hause gehen.“
Takeshi schüttelte vehement den Kopf. „Selbst wenn ich die anderen dazu bringen könnte… Er kann kein anderes Ende machen. Er ist verrückt, glauben sie mir!“
„Das ist keine gute Ausrede!“
„Sie mußten ja nicht zusehen als er all diese Hühner tötete um in die richtige Stimmung für den Tod von Einheit 2 zu kommen!“ Takeshi schauderte und legte die Arme um sich. „Der Schrecken.. der Schrecken…“
„Komm schon!!“ Hiroshi begann, den älteren Mann zu schütteln. „Macht ein neues Ende für Evangelion! Und macht es perfekt! Und machte es verständlicht!!„
Der Mann war nun in Tränen. „Ich… kann nicht… es ist einfach unmöglich, selbst wenn er noch bei Verstand wäre.“
Hiroshi ließ den Mann los und stürmte aus dem Zimmer. Er sprach kurz mit dem Polizisten, der davor stand. „Buchtet ihn ein. Ich werde die Anklage wegen Steuerhinterziehung nun doch durchziehen.“
Der Polizist verbeugte sich. „Jawohl!“
Als Hiroshi das Revier verließ, fiel ihm ein Plakat ins Auge. „Hmmm, vielleicht schaue ich mir heute Abend ‚Star Wars – Episode I‘ an, um diesen ganzen Mist zu vergessen…“
Präsident von Gainax Verhaftet
(Yomiuri Shinbun, vom 13. Juli 1999)
Der Präsident der Anime-Produktionsfirma Gainax, Schöpferin des erfolgreichen animierten Science-Fiction-Films „Neon Genesis Evangelion“, wurde am Donnerstag unter dem Verdacht verhaften, 1.5 Milliarden yen an Gewinnen nicht versteuert zu haben.
Die Staatsanwaltschaft Tokyo hat begonnen, die in Misashino, im Westen Tokyos ansassige Firma zu überprüfen. Im Oktober hatte das Tokyoter Finanzamt eine Beschwerde wegen Verstoßes gegen das Unternehmenssteuergesetz gegen Gainax und seinen Präsidenten, Takeshi Sawamura (40), eingerecht.
In einem Zeitraum von zwei Jahren, der bis Juli 1997 reichte, hatte Gainax angeblich Unternehmenssteuern in Höhe von 580 Millionen yen hinterzogen. Gainax produziert Filme und Fernsehserien, sowie Software für Computerspiele. Die Fernsehserie „Evangelion“ wurde durch ihre sechsmonatige Ausstrahlung ab Herbst 1995 sehr populär.
Ende
Neon Genesis Evangelion © Gainax und Project Eva – Benutzt ohne Genehmigung und in der Hoffnung daß sie diese Geschichte nie zu Gesicht bekommen.
Anmerkungen des Autors:
Die Auszüge aus der Yomiuri Shinbun sind echt, nur Hiroshi Sato existiert allein in meiner Vorstellung. Die Artikel sind durch ihre Beschreibung von Eva eigentlich recht amüsant zu lesen. Alle Namen in dieser Geschichte stammen aus verschiedenen Animevideos ohne jeden Bezug zu Eva.
©1998 Jim Lazar
Übersetzung von Michael Borgwardt
http://www.animeprime.com/ff/index.html