(Eine Oh My Goddess! Kurzgeschichte)
„Hi, ich bin wieder zu Hause!“
„Oh, hallo Keiichi! Das Abendessen ist gleich fertig.“
„Laß dir Zeit.“
Keiichi zog seine Schuhe aus und setzte sich auf die Veranda des Tempels, in dem sie lebten. Wirklich, dachte er, sie strengt sich zu sehr an. Er lehnte sich auf dem Holzfußboden zurück und legte den Kopf auf seine Hände. Ah, was für ein Leben, dachte er. Ich bin klein, was soll’s? Das ist das einzige, was für mich momentan nicht gut läuft. Ich bin der beste Rennfahrer, den Nekomi Tech hat. Ich komme in allen meinen Fächern gut voran und, was am besten ist, ich lebe mit Göttinnen zusammen!
Und doch…
Der Wind wehte über den Tempelhof während Keiichi den Sonnenuntergang beobachtete. Da fiel ihm etwas ein. Ich frage mich, ob wir dieses Jahr wieder ans Meer fahren sollen. Er lächelte, als er sich an die Katastrophe letzten Sommer erinnerte. Diese Urd! Wegen ihr klebte ich plötzlich an MISHIMA Sayoko (was gar nicht so schlecht wäre, wenn sie nicht so ein Miststück wäre). Mann, dachte er, wenn dieser Liebestrank nicht so schnell seine Wirkung verloren hätte, dann… dann…
Was?
„Keiichi, dein Motorrad ist fertig.“
„Danke, Skuld.“
„Jederzeit“, antwortete Skuld, während Keiichi sie anlächelte und das Motorrad in die Garage brachte. Sie schüttelte traurig den Kopf. „Vor einer Weile hätte ich nicht geglaubt, daß ich dir jemals mit irgend etwas helfen würde, Keiichi“, sagte sie, sobald er außer Hörweite war. „Jetzt… muß ich es einfach. Ich muß es wieder gutmachen… Alles. Ich muß. Ich verstehe jetzt, und es tut mir leid…“ Sie schüttelte wieder den Kopf und betrat den Tempel, eine Mischung aus Schuld und Mitleid auf ihrem Gesicht.
Keiichi überprüfte seine Maschine während er sie unterstellte. Er grinste, als er an Skuld dachte. Immer spielt sie mit irgendwelchen Geräten herum. Sie hat sogar versucht, Aoshimas Motorrad zu reparieren, damit er gewinnen würde! Das hat sie jedenfalls gesagt. Na, jedenfalls habe ich diesem Schleimer Aoshima bei dem Rennen trotzdem einen kräftigen Tritt in den Hintern verpaßt! Ja, das war toll. Junge, nur gut, daß seine Maschine damals den Geist aufgegeben hat, oder…
…oder…
Warum fühle ich mich so leer? Warum? Mein Leben ist großartig! Okay, ich bin vollauf damit beschäftigt, nur mit Urds und Skulds Kapriolen fertigzuwerden. Sicher, Sayoko macht sich ständig an mich ran, aber ich schenke ihr wirklich nicht viel Aufmerksamkeit. MISHIMA Sayoko. Gott, sie machte ihn so wütend. Die Art, wie sie sich ihrer so sicher war. Wie sie es immer wieder versuchte, als ob er auf ihre Tricks hereinfallen würde. Warum konnte sie nicht begreifen, daß er sich nie etwas aus ihr machen würde, daß er sich niemals von ihr verführen lassen würde, weil…
…weil…
Keiichi verließ die provisorische Garage die er und Skuld gebaut hatten (eigentlich wollte Urd das erledigen aber, na ja, Urd…), und sah hinauf in den sich verdunkelnden Himmel. Er lächelte traurig, obwohl er nicht wußte, warum. Was ist mit dem Himmel, das mich so traurig macht? Woher kommt dieses Gefühl, das ich nicht genau benennen kann… Diese Traurigkeit, deren Grund ich beim besten Willen nicht finden kann.
„Hi, Keiichi!“
„Oh, Megumi.“ Er runzelte die Stirn. „Erzähl mir nicht, daß du schon wieder zum Essen da bist.“
„Was ist daran falsch? Ich bin deine Schwester, Keiichi! Deiner eigenen Schwester gegenüber kannst du ruhig ein bißchen gastfreundlich sein! Oder hast du Angst, daß ich herausfinde was genau du mit diesen Mädchen treibst?“
„Megumi! Behalte deine schmutzige Phantasie für dich!“
„Komm schon! Ich werde Mama schon nicht erzählen, daß du mit Mädchen zusammenlebst. Und auch noch Ausländerinnen!“
„Das ist was anderes!“
„Sicher, sicher“, sagte Megumi und betrat den Tempel.
Zum Teufel mit Megumi, dachte Keiichi. Hat ihre Nase immer dort, wo sie nichts zu suchen hat. Sie hat ja gute Absichten, aber sie mischt sich zu oft ein. Wie damals, als sie… Keiichi schnippte mit den Fingern.
Wie damals, als sie…
„Hi, Urd!“
„Hi, Megumi. Ich würde sagen, das Abendessen ist fast fertig.“
„Okay!“
Urd sah Keiichi an. Wie grausam das menschliche Schicksal doch manchmal sein kann, dachte sie. Ich möchte dir alles erzählen. Ich möchte es dir zeigen, Keiichi. Ob ich es tun würde, damit du es weißt oder damit ich es los bin… ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ich es nicht kann. Ich kann nicht…
„Keiichi! Abendessen ist fertig!“
„Okay!“ Keiichi seufzte als er den nun von Sternen bedeckten Himmel betrachtete. Erinnerungen, dachte er. Das letzte Jahr ist voller Erinnerungen. Gute und schlechte. Wenigstens die bleiben mir. Er lachte leise. Wie damals, kurz vor Weihnachten, als ich mich fast kaputt gearbeitet habe um das Geld zusammenzubekommen… Wenn Urd mir nicht mit meiner Ausdauer geholfen hätte, hätte ich nie genug verdient, um…
Was war diese Leere? Dieses Gefühl, das von innen an ihm nagte, das drohte, ihn völlig aufzufressen und das sich ihm doch nie enthüllte?
„Keiichi! Das Essen wird kalt…“
„Verstanden!“ Er riß sich vom Himmel los und begann, auf den Tempel zuzugehen. Ein Windstoß traf ihn, und Keiichi verschränkte die Arme. Junge, bin ich froh daß ich heute diesen Pullover an habe, dachte er. Gut, daß ich den überhaupt habe! Warm und behaglich, und soweit ich das beurteilen kann, handgestrickt. Hm, wann war ich so vernünftig, mir so etwas zuzulegen?
„Keiichi!“
„Ich komme ja, ich komme ja.“ Gott, dachte Keiichi, ich hoffe es ist nicht wieder so ein verrücktes Gebräu. Urd kocht immer die seltsamsten Sachen…
Irgendwo auf dem Hof lag ein Ring, vergessen.
©TimeRunner, 26. Januar 1997
Homepage: http://www.geocities.com/Tokyo/Towers/7482/fanfic.html
Übersetzung aus dem Englischen: Michael Borgwardt, August 1998