2LDK
Autor: Michael B.
Artikel erschienen in: FUNime Nr. 40, Seite 53, Dezember 2004
Es gibt sie immer wieder: Filme, die mit minimalistischem Setting und wenigen Schauspielern Großes leisten und Zuschauer wie Preisverleiher begeistern. Dies ist einer davon.
2LDK, das ist eine jener kryptischen Zeichenfolgen, mit denen man in Japan Wohnungen beschreibt: 2 Schlafzimmer, Wohn- und Eßzimmer, Küche. Eine solche Wohnung in Tokyo teilen sich die beiden Hauptfiguren Nozomi und Lana. Beide sind „Talento“, ein Begriff, mit dem in Japan (zumeist weibliche) Einsteiger ins Showbusiness im weitesten Sinne bezeichnet werden. Sie singen, modeln, schauspielern und treten in Fernsehshows auf, immer auf der Suche nach dem großen Durchbruch.
Für einige wenige ist es der Anfang einer echten Karriere, doch die meisten hangeln sich von einem mickrigen Engagement zum nächsten und geben irgendwann auf, wenn sie nicht in der immer aufnahmebereiten und zumindest kurzfristig lukrativeren Pornobranche landen. Auch Nozomi und Lana, bei der gleichen Agentur angestellt, sind alles andere als erfolgreich. Gerade haben sie beide für eine Rolle in einem Kinofilm vorgesprochen und warten nun auf das Ergebnis: wer wird die Rolle erhalten?
Eine angespannte Situation – doch es ist längst nicht nur die Konkurrenz, die dafür sorgt. Denn die beiden leben in einer reinen Zweck(wohn)gemeinschaft und können sich nicht ausstehen: Nozomi würde viel lieber am Theater schauspielern als Filme zu drehen und legt großen Wert auf Ordnung, weswegen Lana sie für eine arrogante, verklemmte Spießerin hält. Lana hingegen zeigt sich gern in sündhaft teuren Markenklamotten und Schmuck, den sie sich von ihren zahlreichen Freunden schenken läßt, und wird von Nozomi als ungebildete Schlampe gesehen.
Obwohl dies beiden bewußt ist, heucheln sie zu Anfang Kameradschaft, doch der Zuschauer kriegt per Voice-Over die wahren Gefühle und Gedanken mit – unter der Fassade regiert der blanke Haß. Und der bricht nun hervor – zuerst ganz langsam und in kleinen Schritten führt dies über einen Kleinkrieg um Shampoo und den Inhalt des Kühlschranks zu einer immer bizarrere Züge annehmenden Eskalation, die schon bald in physische Gewalt mündet. Und es geht immer noch weiter, mit nur kurzen Ruhepausen und taktischen Rückzügen, bevor die nächste Steigerung ansteht.
Nach einigen Längen in der ersten Hälfte kommt der Film gut in Fahrt und kann bis zur letzten Sekunde überraschen, sowohl was die Ereignisse, als auch was die Charaktere angeht: Die scheinbar abgebrühte Lana zeigt sich erstaunlich verletzlich und zerfressen von Schuldgefühlen wegen der katastrophalen Folgen einer Liebschaft, während die brav anmutende Nozomi zwar darunter leidet, dass ihre Kindheitsträume so kläglich im Sand verlaufen, unter Druck aber plötzlich eine hinterhältige, grausame Seite offenbart.
überhaupt ist das Großartige an diesem Film die Leistung der beiden Darstellerinnen, die die wechselhaften Charaktere und deren extreme Stimmungsumschwünge sehr glaubhaft verkörpern. Ganz unbekannt dürfte ihnen die Situation nicht sein, auch wenn beide durchaus erfolgreich sind: KOIKE Eiko, die Darstellerin von Lana, war lange Zeit tatsächlich „Talento“, mit Auftritten in Shows, Werbeclips und Musicals statt in Filmen, jedoch eine zeitlang auch Theaterschauspielerin. Ihr Filmdebüt hatte sie 2001 mit Man-hole. NONAMI Maho (Nozomi) war hingegen von Anfang an Schauspielerin und hatte schon 1997 eine Rolle im Monsterspektakel Mothra II, danach verschiedene Film- und Fernsehrollen und gewann mehrere Auszeichnungen.
Nach 2LDK waren die beiden Anfang 2004 erneut zusammen in der Fernsehserie Dollhouse zu sehen. Dass man den Schauspielerinnen ihre Rollen so gut abnimmt, mag auch daran liegen, dass die Szenen des Films tatsächlich in der Reihenfolge gedreht wurden, wie sie im fertigen Film gezeigt werden – eine absolut unübliche Vorgehensweise, die es aber natürlich den Darstellerinnen einfacher macht, in ihren Rollen aufzugehen. Ebenfalls sehr ungewöhnlich: im gesamten Film wird nur in einer einzigen, kurzen Szene Hintergrundmusik eingesetzt.
Doch ungewöhnlich ist schon die Entstehungsgeschichte von 2LDK: Die Idee dazu entstand in Deutschland, am Rande des CineAsia-Filmfests in Köln. Regisseur TSUTSUMI Yukihiko kam dort bei einer durchzechten Nacht mit seinem Kollegen KITAMURA Ryuhei (manchen bekannt als Regisseur von Versus) auf die Idee, sich einen Wettstreit zu liefern: beide würden einen Film drehen mit gleichem Thema (der Kampf zweier Protagonisten auf engstem Raum) und unter gleichen Bedingungen – letztendlich einigte man sich auf ein mickriges Budget und ganze acht Tage Drehzeit. Das Ganze lief unter dem Namen „Duel Project“, und Kitamuras Beitrag war der ebenfalls bei REM erschienene Aragami, für den er eine historische Kulisse und als Protagonisten einen reisenden Samurai und dessen Gastgeber wählte.
Zu den technischen Daten der DVD: leider ist das Videomaterial mit einem deutlichen Rauschen behaftet, was mit einer durchgehend sehr hohen Datenrate und damit trotz der Kürze des Films fast vollen DVD-9 kompensiert wird. Auch der Kontrast ist oft etwas zu hoch. Der Ton liegt im japanischen Original in Stereo vor, Deutsch in Dolby Surround und DTS, was aber keinen großen Gewinn bringt. Da fällt schon eher die Qualität der Synchronfassung ins Gewicht, und die Leistung der deutschen Sprecherinnen ist doch eher mittelprächtig.
Untertitel gibt es auf Deutsch und Englisch, jeweils sowohl für 4:3-Fernseher als auch für 16:9 optimiert. Die drei übersetzungen scheinen unabhängig stattgefunden zu haben und haben alle ihre Stärken und Schwächen. Erfreulich ist das relativ große Angebot an Extras: neben dem obligatorischen Kinotrailer (sowohl zu 2LDK als auch zu Aragami) gibt es eine „Videomessage“ des Regisseurs und der Schauspielerinnen an die Zuschauer, einen (leicht versteckten und nicht übersetzten) Ausschnitt aus einer Pressekonferenz der Darstellerinnen sowie ein Exklusivinterview des Regisseurs mit REM (leider nur mit ungeschickter Simultanübersetzung) und schließlich ein interessantes Making-Of.
Letzteres ist zuerst als eine Art Tagebuch der Dreharbeiten aufgemacht und zeigt den Kampf der Crew mit einer Grippeepidemie, massiver übermüdung und einer Szene, die erst im 22. Anlauf gelingt. Der zweite Teil porträtiert die „Waffen“, mit denen sich Nozomi und Lana bekriegen. Doch auch ohne diese Extras ist 2LDK ein Film, der das Ansehen auf jeden Fall lohnt.
2LDK
Regie: TSUTSUMI Yukihiko
Drehbuch: TSUTSUMI Yukihiko, MIURA Uiko
Kamera: KAWASAWA Satoru
Produzenten: KAWAI Shinya, ISHIDA Yuuji
Darsteller: NONAMI Maho (Lana), KOIKE Eiko (Nozomi)
Produktionsjahr: © 2002
Laufzeit: 70 Minuten
Dt. Kinostart: 13.5.2004
Erschienen bei: Rapid Eye Movies (www.rapideyemovies.de) unter dem Titel „Duel Project“ im Digipack zusammen mit Aragami.
DVD-Preis: € 19,90 (Digipack)
Anime DVDs aus Taiwan – legal & lizenziert
Autor: Maria Siebert
Artikel erschienen in: FUNime Nr. 43, Seite 25, August 2005
In der FUNime 33 (2/2003) gab es einen Bericht über Anime in Taiwan, in dem auch kurz die Firma Power International Multimedia (PIMGroup) [1] vorgestellt wurde. Diese hatte schon damals Lizenzverträge mit EM.TV abgeschlossen und angefangen, einige bekannte Serien auf DVD herauszubringen.
Leider konnte der Artikel damals noch keine Bezugsquellen für die DVD-Boxen anbieten. Dieses Loch soll dieser Artikel stopfen. Ja, ihr hört richtig, inzwischen ist es möglich, an diese tollen Serien, wie Little Women (Eine fröhliche Familie) und Little Princess (Die kleine Prinzessin Sara) im Original zu einem guten Preis heranzukommen – und es ist legal. Doch erst einmal etwas zur aktuellen Situation.
Im letzten Jahr haben EM.TV und PIMGroup ihre Zusammenarbeit erweitert [2]. So wird es wohl hoffentlich aus Taiwan auch weiterhin interessante alte Serien geben. Und anscheinend lohnt sich das Geschäft auch für PIMGroup, sie veröffentlichen eine große Anzahl von Boxen im Jahr und haben für die Veröffentlichungen auch schon den einen oder anderen nationalen Preis kassiert, so daß man hoffen kann, daß nach und nach alle alten Serien, die bei EM.TV lizenziert sind, erscheinen werden.
Darunter sind bekanntermaßen eine große Anzahl von Serien aus der WMT-Reihe (World Masterpiece Theater), von denen es ansonsten nur eine Veröffentlichung in Japan gibt, die ja leider recht kostspielig ist. Aber auch einige Serien, die man hier schon auf DVD leider ohne Originalton bekommt, zum Beispiel Heidi und Sindbad, bekommt man dort auch mit japanischem Originalton. Doch am Interessantesten ist es doch wahrscheinlich, wie man an diese Boxen herankommt. Im letzten Jahr haben einige Fans den englischsprachigen Shop YesAsia [5] entdeckt. Dieser hat immerhin einige der Boxen geführt, die damals auf dem Markt gewesen sind.
Dazu gehören zum Beispiel Marco oder Daddy Longlegs (Das Geheimnis von Daddy Langbein). Auch einige Boxen aus diesem Jahr wie Tico und Romeo’s Blue Skies (Die schwarzen Brüder) sind im Angebot. Fast alle Boxen bekommt man versandkostenfrei zugeschickt, da sie mehr als $50 kosten. Manchmal gibt es auch die eine oder andere Box im Angebot, schon deswegen lohnt es sich, die Seite ab und zu mal danach abzusuchen.
Der große Nachteil von YesAsia ist, daß der Katalog nicht immer aktualisiert wird, und daß einige Serien „out of stock“ sind und anscheinend nicht mehr nachbestellt werden. Auch führen Anfragen bei diesem Shop ins Leere, man bekommt leider immer nur Standardantworten, die nicht weiterhelfen. Dies führte dazu, daß man sich nach einer weiteren Quelle umschauen mußte. Im letzten Winter wurde dann der Shop Jsdvd Mall [4] entdeckt. In dieser Zeit war der Shop gerade dabei, seine Seite auf Englisch umzustellen, was wahrscheinlich für die meisten Fans notwendig ist, um eine Bestellung abzuschicken.
Inzwischen ist die Umstellung so gut wie abgeschlossen, alle wichtigen Informationen sind in Englisch vorhanden. Interessant ist, daß der Shop die echten Versandkosten an den Kunden weitergibt. Das heißt, man bestellt erst einmal, was man haben will, und wenn sie alles gepackt haben, bezahlt man am Ende extra die Versandkosten. Auf der Seite findet sich eine Liste der Versandkosten nach Gewicht gestaffelt. Für eine Box muß man zwischen 500 Gramm und 1 Kilo veranschlagen. Die Versandkosten erscheinen ziemlich hoch, allerdings entspricht es auch ungefähr der Preisdifferenz der Boxen zu YesAsia.
Man zahlt also meist nicht wirklich mehr als bei YesAsia. Vor allem große Mengen lohnen sich zu bestellen, da die Versandkosten mit dem Gewicht abnehmen. Inzwischen bietet der Shop auch einige billigere Versandmethoden per Luftpost an. Diese wurde aber noch nicht getestet. Der teure Versand per EMS ist aber ziemlich schnell und durch Tracking auch gut nachvollziehbar.
Nur ein Besuch beim Zoll ist dabei so gut wie sicher. Die Bezahlung per Visa-Karte findet über ein anderes Unternehmen statt, man wird auf deren Website weitergeleitet, die auch notdürftig ins Englische übersetzt ist. Bei allen Bestellungen funktionierte die Bezahlung aber ohne Probleme, und da der Versand so schnell ist, hat man meist die DVDs, bevor der Betrag auf der Visa-Abrechnung auftaucht. Bei Problemen, wie zum Beispiel Beschädigungen während des Versandes, ist der Kontakt mit dem Shop einfach, es wird genug Englisch gesprochen, um alles klären zu können.
Auch ein Umtausch einiger verkratzter DVDs klappte mühelos. Alles in allem ist dieser Shop sehr zu empfehlen. Bei anderen gefundenen Shops sollte man aufpassen. Teilweise werden da nicht die legalen DVDs aus Taiwan angeboten, sondern irgendwelche Bootlegs. Gerade bei DVDs aus dieser Region sollte man deswegen doch vorsichtig sein. Hiermit wünsche ich allen, die sich jetzt ihre Kindheitserinnerungen nach Hause holen, viel Spaß beim Anschauen!
Weblinks und Quellenangaben:
[1] http://memory.pimgroup.com.tw Power International Multimedia / PIMGroup
[2] http://www.pimgroup.com.tw/subject/subject.asp
[3] http://www.em.tv/dasat/index.php?cid=100315&conid=100414
[4] http://mall.jsdvd.com/index.php?language=us Jsdvd Mall
[5] https://www.yesasia.com/global/en/chinese-anime.html YesAsia
Liste der erschienenen Serien:
Mit englischen Untertiteln (bei den Serien mit * ist das durch Besitz verifiziert):
A Dog of Flanders; Niklaas, ein Junge aus Flandern (2 Boxen)
A Little Princess Sara; Die kleine Prinzessin Sara (1 Box)
* Daddy Longlegs; Das Geheimnis von Daddy Langbein (2 Boxen)
* From the Alpinines to the Andes; Marco (2 Boxen)
* Heidi (2 Boxen) Little Women; Eine fröhliche Familie (2 Boxen)
* Perrine En Famille; Perrine (2 Boxen)
* Remi (2 Boxen) Achtung! Dies ist nicht die WMT-Version!
Sindbad the Sailor; Sindbad (2 Boxen)
The Trapp Family Story; Die singende Familie Trapp (2 Boxen)
Triton of the Sea (1 Box)
Ohne englische Untertitel (bei den Serien mit * ist das durch Besitz verifiziert):
Anne of Green Gables; Anne mit den roten Haaren (2 Boxen)
* Flone on the Marvelous Island (2 Boxen)
Little Lord Fauntleroy (2 Boxen)
* Little Women II – Jo’s Boys; Missis Jo und ihre fröhliche Familie (2 Boxen)
* Pollyanna; Wunderbare Pollyanna (2 Boxen)
* Princess Knight; Choppy und die Prinzessin (2 Boxen)
Raccoon Rascal; Rascal, der Waschbär (2 Boxen)
Romeo and The Black Brothers; Die schwarzen Brüder (2 Boxen)
* The Adventures of Hacchi; Flitz das Bienenkind (2 Boxen)
The Adventures of Tom Sawyer; Tom Sawyers Abenteuer (2 Boxen)
The Wizard of OZ; Im Land des Zauberers von Oz (2 Boxen)
The Wonderful Adventures of Nils; Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen (2 Boxen)
Tico & Friends; Tico – ein toller Freund (2 Boxen)
Treasure Island; Die Schatzinsel (1 Box)
Vicky the Viking; Wickie und die starken Männer (2 Boxen)
Blu-ray FAQ – häufig gestellte Fragen
Autor: Karsten Schubert
Artikel erschienen in: FUNime Nr. 57, Seite 23, Juli 2009
Was benötige ich für eine Blu-ray-Anlage?
Zunächst einmal mindestens einen HD-Ready-Fernseher oder -Projektor mit einem möglichst großen Bild und mindestens einem HDMI-Eingang. Ab Bilddiagonalen größer einem Meter kann auch Full-HD schon etwas bringen, aber nach Möglichkeit nicht das billigste Gerät, sondern ein Gerät, das auch bei normalen Fernsehsignalen oder DVD ein ordentliches Bild mit realistischen Hauttönen liefert. Farbumfang, reale Bildkontraste, ein guter Schwarzwert und brauchbare Scaler sind in der Realität weit mehr wert als eine größere Auflösung – unabhängig von der Zuspielung.
Davon abgesehen gibt es eigentlich nur Optionen. Bei Projektoren zwingend, bei Fernsehern sehr empfehlenswert ist eine getrennte Tonanlage. So formschön flache Displays sind, für die Toningenieure sind diese Gehäuse wahr gewordene Alptrtume. Egal, was für tolle Werbesprüche kommen, in der Realität ist jede billige Stereoanlage deutlich überlegen, auch solche Billig-Surroundsets, die Verstärker und kleine Boxen mitbringen. Das macht sich schon beim Fernseher in einer extrem verbesserten Sprachverständlichkeit bemerkbar (wenn dieser auch einen Ausgang für den Ton besitzt!) und erst recht bei DVDs.
Wer schon für DVD eine ordentliche Surroundanlage besitzt, kann den folgenden Abschnitt überspringen, denn praktisch alle Blu-ray-Player bieten zumindest einen optischen Digitalausgang, für ältere Receiver bieten viele Hersteller etwas teurere Blu-ray-Player mit 5.1- oder 7.1-Ausgängen an. Wer jetzt erstmals wirklich über Heimkino nachdenken will, dem sei das Surround-Special aus der FUNime 37 ans Herz gelegt.
Alles, was dort steht, ist im wesentlichen immer noch gültig. Lediglich bei den Preisen und Features der Receiver hat sich etwas getan. So gibt es inzwischen schon durchaus brauchbare Verstärker von 200 Euro an aufwärts, die auch durch die Bank weg Lautsprecher vernünftig ansteuern können, sie unterscheiden sich primär in Bezug auf Anzahl und Qualität der verwendeten Ein- und Ausgänge. Dabei sollte man praktisch keine vernünftigen Surround-Verstärker finden können, die nicht mit Schraubverschlüssen für Lautsprecher kommen, und sie sollten auch HDMI-Eingänge und automatische Einmessung besitzen. Ab 400-500 Euro kann man dann auch schon über 7.1 reden.
Aufgrund dieser änderungen wird inzwischen dazu geraten, mindestens 3/4 des Budgets für die Lautsprecher zu reservieren! Wer allerdings ein Budget von mindestens 1000 Euro nicht schultern möchte, sollte überlegen, ob er sich das System nicht lieber nach und nach aufbauen will. Die Anlage wird es einem danken, denn die Lautsprecher veralten im Gegensatz zu Receivern und Displays praktisch nicht.
Bringt mir Blu-ray etwas?
Ob sich Blu-ray für jemanden lohnt, lässt sich pauschal leider nicht sagen. Es gibt Spezialisten, die behaupten, schon bei einem 32-Zoll-LCD aus 3-4 Metern eindeutig sehen zu können, ob eine DVD oder Blu-ray eingelegt ist (das ist im Prinzip nur vorstellbar, wenn sie entweder katastrophale DVDs haben und/oder Player oder Displays mit miserablen Upscalern einsetzen, wenn solche Leute dann auch noch zu Full-HD Displays bei kleinen Bildiagonalen raten), während es auf der anderen Seite auch Menschen gibt, die bei Bilddiagonalen von drei Metern mit erstklassigem Equipment den Unterschied nicht wahrnehmen können. Prinzipiell bietet die Blu-ray 1920 x 1080 Bildpunkte, während man bei der DVD maximal Bilder mit 768 x 576 Punkten übertragen kann. Außerdem speichert die Blu-ray im Normalfall Vollbilder, während die DVD von sich aus nur Halbbilder speicherte und eine Information, wie diese Halbbilder zusammengehören, wobei es häufig Fehler gab – doch moderne Displays sind nun mal auf Vollbilder angewiesen. Dank einer vierfach höheren Datenrate und modernerer Kompressionsverfahren kommen einige typische Kompressionsartefakte der DVD vor allem in nebligen oder dunklen Szenen im Normalfall nicht mehr vor.
Aufgrund der größeren Datenrate der Blu-ray werden die Tonspuren im allgemeinen auch mit einer höheren Datenrate abgemischt. Des weiteren bieten sowohl DTS als auch Dolby Digital spezielle HD-Formate an, die verlustfrei komprimieren. Auch PCM (das Kodierungsverfahren der alten CD) kommt inzwischen mit größeren Datenraten wieder häufiger vor.
Was für einen Blu-ray-Player brauche ich?
Zum Ausprobieren genügt der billigste Player, den man finden kann, was im allgemeinen auf 100-150 Euro hinauslaufen kann. Im Gegensatz zu den Displays oder Projektoren hat die Wahl des Players einen sehr geringen Einfluss auf die Bildqualität und die Unterschiede in Bezug auf den Ton sind nicht der Rede wert. Es hat praktisch jeder Player Stereo-Cinch-Ausgänge für den normalen Stereoton. Bei praktisch allen Playern wird nicht etwa ein HDMI-Kabel mitgeliefert, sondern immer noch ein altertümliches Video-Cinch-Kabel, mit dem überhaupt kein HD-Signal übertragen werden kann. Außerdem bieten sie praktisch alle einen klassischen optischen Digitalanschluss, über den die relevanten Anteile übertragen werden. Die verbleibenden Reste sind bei etwa 95% aller Surround-Anlagen sowieso nicht hörbar. Selbst gestandene Tontechniker, die routinemäßig Hollywood-Blockbuster mit ihrem Ton versorgen, geben zumindest unter der Hand zu, dass sie die verbleibenden Unterschiede nicht wahrnehmen. Der Unterschied der HD-Tonspuren besteht im wesentlichen darin, dass man mehr Aufwand in die Tonabmischung steckt und diese Unterschiede hört man dann häufig genug auch noch mit einer klassischen Stereoanlage…
Worin unterscheiden sich die Blu-ray Player?
Zunächst einmal im sogenannten Profil. Der Großteil aller älteren Player unterstützt von sich aus nur das so genannte Profil 1.0, womit praktisch nur der Film selbst abgespielt werden kann und auch die Features auf leicht erweiterte DVD-Features fixiert sind. Mit Profil 1.1 kam Unterstützung zusätzlicher Audio- und Videodatenströme hinzu, womit man praktisch alle heute nützlichen Features wie zum Beispiel Kommentarspuren, bei denen man die beteiligten Mitarbeiter und Schauspieler sogar sehen kann, oder Making-of-Einspielungen während des Films nutzen kann.
Dann kam auf Forderungen der Filmindustrie auch noch das Profil 2.0 hinzu, womit die Player in der Lage sind, Inhalte aus dem Internet nachzuladen. Die Ergebnisse dieses Features sind jedoch bislang vollkommen sinnlos: Wer wartet minutenlang, um sich Bilder der Schauspieler auf dem roten Teppich bei der Filmpremiere oder HD-Werbetrailer herunterzuladen, wenn er vergleichbare Dinge schneller und effektiver am Computer ansurfen kann? Kein Wunder, dass die meisten Hersteller dazu übergegangen sind, dieses Feature nur zu unterstützen, wenn der Kunde zuerst eine SD-Karte als Zwischenspeicher eingelegt hat.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Versorgung mit Updates durch den entsprechenden Hersteller, da es leider immer wieder Probleme mit neuen Blu-rays geben kann. Auch bei der Geschwindigkeit gibt es teilweise gravierende Unterschiede, die auch noch von Disc zu Disc unterschiedliche Ergebnisse liefern können. Noch stellt hier die Playstation 3 das Optimum dar, ja zum Teil sind sogar teurere Player deutlich langsamer als die billigen Player, denn die neueren Player von Samsung und LG holen deutlich auf und auch die aktuellen Player von Panasonic BD-35 und aufwärts oder der Pioneer BDP-51 sind im alltäglichen Betrieb nicht so deutlich langsamer, dass es stören würde. Dabei stellen ihre Fähigkeiten beim Upscalen von DVDs und auch beim Feintuning des Blu-ray Bildes inzwischen eine deutliche Verbesserung dar. Von Vorteilen im Energieverbrauch und bei der Lautstärke erst gar nicht zu reden. Daher wird die Playstation 3 inzwischen nicht mehr als idealer Blu-ray Player angesehen. Es ist damit zu rechnen, dass sie in Kürze auch in Bezug auf Geschwindigkeit abgehängt wird.
Ein weiterer Unterschied ist eine schon beinahe klassische Fehlerquelle: die Spannungsversorgung. Zwar arbeiten die Geräte intern und auch bei der Weiterleitung digital, doch Spannungsschwankungen und Spitzen sorgen immer noch für Übertragungsfehler. Allerdings beherrschen die meisten Hersteller ihr Handwerk, so dass man ordentliche Geräte schon für unter 300 Euro bauen kann.
Mit was für Problemen ist zu rechnen?
Während es zu Beginn noch größere Probleme mit HDMI gab, wenn die Signale nicht direkt an das Display oder den Projektor gegeben wurden, sondern über den Umweg eines Surroundreceivers gingen, sollten derartige Probleme inzwischen kaum noch auftauchen. Dafür hat man zwei andere grundsätzliche Probleme des Standards entdeckt: Zunächst einmal die Verwendung von Java statt einer einfacheren Scriptsprache – dies hatte primär politische Gründe. Was damals die entsprechenden Verantwortlichen vollkommen übersehen haben, ist die Vielzahl von Möglichkeiten, die einem in Java zur Verfügung stehen, um bestimmte Wirkungen zu erzeugen. Immer wieder verbessern und optimieren die Masteringstudios ihre Quellcodes und stoßen dabei in einer Vielzahl von Playern auf Firmwarebugs oder grundsätzliche Ressourcenprobleme.
Auch die Erlaubnis an Fox, einen grundsätzlich wirkungslosen zusätzlichen Kopierschutz namens BD+ zu programmieren, stellt ein Problem dar. Regelmäßig wird die jeweils neueste Version dieses Schutzes unterlaufen und Fox versucht aufwändig mit jeweils anderen Tricks, diesem Problem zu entkommen, wobei sie inzwischen regelmäßig auch die eigenen Standards gebrochen und damit zahlreiche Player lahmgelegt haben. Die Playstation 3 ist diesen Problemen bislang im allgemeinen aus zwei Gründen entkommen: häufige Firmwareupdates und alle Hersteller prüfen ihre jeweils neuesten Master gegen die PS3. Würde man dort entsprechende Bugs triggern, würde man sofort den eigenen Code überarbeiten.
In den USA sind jedoch bereits im Herbst letzten Jahres erste Blu-ray Player für unter 100 US$ verkauft worden. Dementsprechend sind dort gerade unter den Kunden, die einfach mal Blu-ray ausprobieren wollen, andere Player recht verbreitet. Und wenn diese Player versagen, weil sie zum Beispiel noch nie upgedatet wurden, kommen die Kunden zu sehr unerwünschten Schlussfolgerungen. Es deutet sich immer mehr an, dass in der Hinsicht etwas geschehen muss, wenn die Blu-ray nicht auf ewig ein Nischenmedium bleiben will! Zwar hat die Blu-ray inzwischen einen Marktanteil von 10%, doch es wird zunehmend schwieriger, die neuen Kunden vom Nutzen der Updates zu überzeugen, während es für die Hardwarehersteller zum unkalkulierbaren Kostenfaktor werden kann, wenn man auf Jahre hinaus die uralten Geräte unterstützen soll.
Doch man hatte natürlich beim Blu-ray Standard auch noch andere wichtige Dinge zu regeln, zum Beispiel den Regioncode, der bei der DVD irgendwie sehr einfach zu umgehen war. Daher setzte man sich auf mehreren Seiten ausführlich damit auseinander, was die Hardware-Hersteller nicht machen durften, um dafür zu sorgen, dass der Kunde, mit anderen Worten der potentielle Raubkopierer und Gesetzesbrecher, den Regioncode wechselt. Das ist auch wirklich deutlich aufwendiger geworden. Zwar gibt es inzwischen bei einschlägigen Händlern wie www.dvdplayer.de Codefree-BluRay-Player zu kaufen, doch aus einem Player für unter 400 Euro wird da gerne mal ein Player für mehr als 500 Euro.
Wo geht der Trend hin?
Aus Sicht der Playerhersteller wird der Trend so langsam klar, vor allem versteht man inzwischen, was ein Samsung-Vertreter damit meinte, dass Blu-ray lediglich kurzfristig interessant sei. Es ging dabei gar nicht so sehr um die Frage, ob und in wieweit sich die Blu-ray auf dem Markt durchsetzen kann, sondern ein Player kann nur Blu-ray unterstützen oder nicht. Es ist jedoch nicht möglich, sich mit einer besseren Qualität bei der Blu-ray derart stark abzusetzen, dass man genau diesen Player kauft und nicht ein Konkurrenzprodukt.
Damit gewinnen andere Kriterien an Bedeutung und genau dies ist an den neueren Playern von LG, Samsung und Panasonic deutlich zu erkennen: Ihre grundsätzliche Hardware wurde primär dafür entwickelt Blu-ray-2.0-Discs abzuspielen, doch diese Grundanforderung wurde deutlich erweitert. Jetzt hat man dort tatsächlich die besten Upscaler verbaut, die der jeweilige Hersteller zur Verfügung hat, während man noch vor kurzem einige dynamische Filter den DVD-Playern vorbehielt. Gleiches gilt für solche Dinge wie USB-Anschlüsse für externe Festplatten. Und wenn man sich schon den Aufwand macht, einen kompletten Internet-Zugang für Blu-ray zu entwickeln, kann man diesen Zugang auch dafür nutzen, Streaming-Dienste aus dem Internet abzurufen. Das läuft in Deutschland im Moment lediglich auf Dienste wie YouTube hinaus, doch in den USA kann man sich damit bereits Filme von Amazon herunterladen. Mit anderen Worten: Blu-ray ist nur noch eine Option unter vielen.
Und gerade beim Upscalen von schlechteren Materialien, den unterstützten Formaten und den unterstützten Streaming-Diensten wird man sich leichter absetzen können. Das Blu-ray-Konsortium hat wohl nicht ohne Grund die Lizenzkosten pro Blu-ray-Player deutlich gesenkt: von etwa 30 US$ pro Player auf 10 US$ pro Player. Denn bei diesen Playern zücken auch gerne mal die Hersteller die Rechenschieber: Wie viel Geld kann ich einsparen, wenn ich den Player ohne Blu-ray produziere und wie viel kostet das Gerät dann im Laden?
Auch die Filmfirmen sind mit der momentanen Lage nur sehr bedingt zufrieden. Zwar zeigen die Statistiken scheinbar sehr gute Umsätze, aber die realen Handelspreise, zu denen die Leute die BluRay tatsächlich kaufen, sind deutlich geringer, weshalb die meisten Hersteller jetzt erst mal versuchen, die Preise zu stabilisieren und den Markt etwas zu beruhigen. Es setzt sich immer mehr der Pragmatismus durch, dass Blu-ray zwar eine Option ist, aber keine perfekte Lösung. Wer seine Filme in bestmöglicher Qualität haben will, dafür auch bereit ist bei Bedarf mehr zu zahlen und sich zuvor selbst über die Qualität des jeweiligen Filmes informiert (nicht jede Blu-ray ist besser als die jeweilige DVD!), für den ist das Medium eine Empfehlung wert.
Wer jedoch auf Nummer sicher gehen will der kann auch problemlos etwas abwarten. Mit jeder neuen Generation werden die Blu-ray Player günstiger und besser und man sollte vielleicht vorher erstmal diejenigen Komponenten aufrüsten, die auch bei anderen Medien Qualitätsvorteile bringen.
Bonsai – Faszination der Krüppelbäume
Autor: Angelika
Artikel erschienen in: FUNime Nr. 38, Seite 25, Juli 2004
Wahrscheinlich wird jeder, der die FUNime liest, etwas mit dem Begriff Bonsai anfangen können. Daß es sich hierbei um Miniaturbäume handelt, welche absichtlich klein gezüchtet werden ist weitläufig bekannt. Doch wie steht es mit dem weiteren Wissen darüber hinaus?
Was ist Bonsai?
Jeder, der sich hin und wieder mit Japan und seiner Kultur beschäftigt, ist sicherlich schon über diese asiatische Eigenheit gestolpert. Sie ist für Europäer wahrscheinlich eher befremdlich, versuchen wir doch in unserem Kulturkreis unsere (Zimmer-)Pflanzen möglichst groß und kräftig gedeihen zu lassen. Das scheint auf den ersten Blick eher der Natur zu entsprechen, wohingegen die Bonsai widernatürlich erscheinen.
Auf den zweiten Blick bietet sich jedoch ein etwas anderes Bild. Es stimmt zwar, daß die Bonsaibäume ihr Erscheinungsbild nur durch Eingriffe des Menschen erhalten. Es gibt aber durchaus auch in der freien Natur Beispiele, in denen Bäume zu Krüppelwachstum gezwungen sind, z.B. wenn sie im Gebirge in der Nähe der Baumgrenze oder an Felsvorsprüngen wachsen. In diesen beiden Fällen zwingt der Mangel an Nährstoffen die Bäume zu ihrem eingeschränkten Wachstum. (Zu erwähnen ist hierbei, daß das Wachstum und die Entwicklung einer Pflanze genau dort gestört oder aufgehalten wird, wo ihr ein chemisches (Grund-)Element für ihre Entwicklung fehlt. Genau der benötigte Stoff von dem die Pflanze am wenigsten hat, begrenzt also ihr Wachstum.) Auch im Flachland kann man auf „Naturbonsai“ stoßen, z.B. in von Wild bewohnten Waldgebieten. Bäume, die sich an beliebten Wanderwegen des Wilds befinden, werden ständig angefressen und somit gestutzt – was auch zu extremem Krüppelwuchs führt. Diese beiden Elemente – Mangel bzw. begrenzte Verfügbarkeit bestimmter Elemente und Rückschnitt der Pflanze – sind es auch, die sich der Mensch in der Natur abgeschaut hat, um sie bei der Zucht von Bonsai einzusetzen.
Ein wenig über Herkunft und Geschichte
Die Anfänge des Bonsai lassen sich wie viele andere Elemente der japanischen Kultur nach China verfolgen. Dort wurden sie wahrscheinlich in Klöstern für die Gestaltung von Tempellandschaften verwendet, die den „heiligen Berg ewiger Jugend“ des Taoismus (Horai-san) darstellten. Bis zur Meiji-Zeit wurden Bonsai in Japan seit ihrer Einführung eher in bizarre und groteske Baumformen gezüchtet. Die Züchter des Azakusa-Parks, einem berühmten Bonsai-Zentrum in der Nähe von Tokio, gingen Mitte des 19. Jahrhunderts dazu über, die Miniaturbäume in natürlichen Formen nach dem Vorbild der Natur zu gestalten und prägten den Begriff Bonsai. Auch heute ist es erklärtes Ziel eines jeden Gestalters, Bonsai nach der Natur zu formen. Also quasi Miniaturen von Bäumen zu schaffen, die so in der freien Natur wachsen könnten.
Im 20. Jahrhundert hatte sich Bonsai in Japan zu einer Kunstform entwickelt, die auch in der Bevölkerung verbreitet war. In die übrige Welt verbreitete sich Bonsai sehr langsam. Im Jahr 1909 gab es die erste Ausstellung Europas in London, auch Amerika erreichten sie etwa zur gleichen Zeit. Allerdings fand die Zucht von Bonsai außerhalb Japans damals aufgrund mangelnder Kenntnisse und der Dampfheizung ein jähes Ende. In dieser Zeit entstand auch das sich bis heute hartnäckig haltende Vorurteil, Bonsai wären für klimatische Verhältnisse und kulturelle Kreise außerhalb Japans nicht geeignet. Wer mit normalen Topfpflanzen umgehen kann, wird aber auch mit Bonsai keinen unüberwindbaren Schwierigkeiten gegenüberstehen.
Wo kann ich Bonsai kaufen und was muss ich dabei beachten?
Ein Indiz für die heutzutage weite Verbreitung von Bonsai ist sicher jenes, dass man sie inzwischen in fast jedem Baumarkt kaufen kann. Allerdings sollte man sich entweder vorher gut informieren oder an einen Fachhändler wenden (in den meisten größeren Städten gibt es inzwischen welche), denn die Tücke liegt hier im Detail: Die wenigsten im Baumarkt oder ähnlichen Verkaufsstellen angebotenen Bäume entsprechen den allgemeinen Gestaltungsgrundsätzen.
Die Bäume sind klein und sehen wie Bonsai aus, werden aber meist möglichst günstig produziert – da kann eben nicht darauf gewartet werden, bis sich ein Baum normal und gut entwickelt. So findet man sehr häufig Bäume, bei denen in einer bestimmten Höhe einfach der Stamm (die Sproßachse) abgeschnitten wurde. Der Baum treibt dann zu den Seiten aus, man hält die Seitenäste kurz und regt sie zur Verzweigung an – et vóilà, es entsteht ein Minibaum, der aussieht wie ein Bonsai, der aber nicht wirklich einer ist.
Wer einen Bonsai kaufen möchte, sollte über folgende Dinge nachdenken bzw. sie beachten:
Vorher:
- Soll der Bonsai im Zimmer stehen oder soll es ein Freilandbonsai sein? Davon hängt z.B. ab, welche Art man kauft. Es ist nicht möglich, einen Freilandbonsai im Zimmer zu halten. Freiland heißt gänzlich draußen, auch im Winter.
- Soll der Bonsai in der Sonne, im Halbschatten oder Schatten stehen?
- Habe ich genug Zeit, d.h. bin ich oft genug anwesend um den Bonsai zu gießen? Da in einem Bonsai-Pflanzgefäß sehr wenig Platz für Erde ist, muss entsprechend oft gegossen werden – je nach Art alle zwei Tage bis einmal pro Woche.
Vor Ort:
- Sieht der Baum gesund aus? Sieht man Schädlinge?
- Wurde der Baum gerade umgetopft? (Wenn ja, lieber sein lassen.)
- Ist der Bonsai noch eingedrahtet? (Wird euch im Baumarkt wohl nicht passieren. Falls ja, den Draht entfernen lassen und den Baum dann nochmals beurteilen. Ist der Draht eingewachsen, sollte man den Baum nicht kaufen.)
- Streben die Wurzeln am Ansatz gleichmäßig in alle Richtungen auseinander?
- Verjüngt sich der Stamm durchgehend bis zur Spitze? Dabei ist es gleich, ob der Bonsai gerade oder gewunden wächst, oder welche Form er besitzt. Auch bei der Besenform, bei der sich ab einem Punkt alle Zweige gleichmäßig vom Stamm verzweigen, muss es einen sichtbaren Verlauf des Stammes und eine Verjüngung bis in die Spitze geben. Negativbeispiel, siehe obigen Absatz.
- Wenn der Baum einen gebogenen Stamm hat, dann sollten die Biegungen ruhig und gleichmäßig verlaufen.
- Macht der Stand des Bonsai optisch einen sicheren Eindruck? Oder wirkt er, als würde er jede Minute umkippen?
- Bei Zimmerbonsai: Ist die Luft im Zimmer eher feucht oder trocken? (Wirkt wieder auf die Wahl der Art.)
Es gibt also eine Menge objektive Kriterien. Dabei ist diese Auswahl keinesfalls vollständig, es handelt sich nur um die Wichtigsten. Aber die Entscheidung bleibt trotzdem immer subjektiv – gefällt mir der Baum, oder gefällt er mir nicht?
Wer jetzt sein Interesse an Bonsai entdeckt hat, den Kauf eines teuren, „fertigen“ Bonsai jedoch scheut, dem möchte ich anraten in die nächste Ausgabe der FUNime zu blättern, da wird es dann um günstigere Alternativen wie die (An-)Zucht eigener Bonsai aus heimischen Pflanzen und die wesentlichen Grundgestaltungsformen gehen.
Bootlegs, Fansubs und Konsorten Unlizenzierte Kopien und ihre Auswirkungen
Autor: Karsten Schubert
Artikel erschienen in: FUNime Nr. 39, Seite 26+27, Oktober 2004
Im Editorial der FUNime 37 haben wir uns schon einmal mit dem Problem „Bootlegs“ (in diesem Fall unlizenzierte CDs) befaßt. Wie man in den News dieser Ausgabe lesen kann, beginnen nun auch die größeren Firmen in den USA und Japan diese Problematik als reale Bedrohung wahrzunehmen. Höchste Zeit also, einmal grundlegend zu klären, was Bootlegs überhaupt sind, wie man sie erkennen kann und warum dieses Thema im Moment wieder so eine Aufmerksamkeit erregt.
Was sind Bootlegs?
Der Unterschied zwischen Bootlegs und normalen CDs, DVDs, Büchern oder Model-Kits liegt in ihrer Entstehungsgeschichte. Normalerweise beginnt z.B. die Entstehung einer deutschen CD mit japanischen Liedern mit Vertragsverhandlungen zwischen dem Produzenten und dem japanischen Lizenzinhaber. Für die Entstehung einer Bootleg-CD beschafft sich der Bootlegger einfach diese CD, sie wird ausgelesen und davon werden neue CDs gepreßt, die Cover und Booklets werden kopiert und etwaige Beilagen nachgeahmt. Diese CDs werden dann verkauft, ohne daß die eigentlichen Macher der CD auch nur einen einzigen Cent davon sehen. Und so funktioniert es leider nicht nur bei CDs. Auch Filme werden aus allen möglichen Quellen beschafft, egal ob im Kino abgefilmt oder von DVDs gerippt, das Ergebnis wird mit Covern versehen und als normale DVD verkauft. Ebenfalls recht beliebt ist auch das Kopieren von Model-Kits: Dabei werden von Original-Modellen Abgüsse gemacht und als Vorlage für neue Bausätze benutzt. Allerdings ist es hier nicht ganz so einfach wie bei DVDs und CDs, in einigen Fällen müssen sich auch die Originalproduzenten für Neuauflagen dieser Methode bedienen. Etwas weniger häufig, weil in der Herstellung aufwendiger, sind Raubkopien von Artbooks oder Büchern. Ein weiteres sehr beliebtes Ziel für Bootlegger ist natürlich Software, doch dieser Bereich liegt ein wenig außerhalb des Themengebiets dieses Artikels. Stattdessen wollen wir uns besonders dem Gebiet der Raubkopier-CDs und -DVDs zuwenden. Deren Produzenten hatten in ihren Ursprungsländern, im Bereich Anime fast immer Fernost, meist wenig zu befürchten: Bis vor kurzem war die Herstellung von Kopien ausländischen Materials in einigen Ländern nicht illegal, in anderen Fällen hält man sich die örtliche Polizei mittels großzügiger Zuwendungen vom Leib. Die Kosten bei der Herstellung einer einfachen DVD mit Verpackung betragen nicht mehr als 1 bis 2 Euro, bei CDs sogar noch weniger, dadurch ist selbst bei niedrigen Preisen ein einträgliches Geschäft möglich und so gibt es zahlreiche Firmen, die derartige Bootlegs produzieren. Die Qualität dieser Kopien variiert von „dem Original fast gleichwertig“ bis zu „Flimmerorgie“. Auf jeden Fall kommt vom investierten Geld nichts bei den wirklichen Produzenten und Machern des Films oder Soundtracks an. Stattdessen verdienen sich Zwischenhändler eine goldene Nase, gerüchteweise sollen die Firmen auch als Geldwaschanlagen für das organisierte Verbrechen dienen…
Wie erkennt man Bootlegs?
Es gibt zwar eine kaum überschaubare Zahl von Bootleggern, aber glücklicherweise bieten nur wenige „ihre“ Produkte international an. Noch heute genügt es mit einer Liste der bekannten CD-Bootleg-Label „EverAnime“, „SonMay“ oder z.B. „Animation (Japan) International“, „Anime Studio“ und „Another DVD Company“ bei DVDs durch die Läden zu gehen, um schockiert festzustellen, daß große Teile des Marktes von Bootleggern beherrscht werden… Darauf angesprochene Händlern behaupten meist, davon nichts zu wissen (zumindest offiziell, wobei man sich gerne auf Schreiben der Großhändler beruft, daß die angebotenen Waren legal seien) oder schauen angesichts der hohen Gewinnspannen einfach weg. Auch auf Conventions kann man leicht an Bootlegs geraten, nur wenige Cons wie der Anime Marathon untersagen den anwesenden Händlern explizit den Verkauf von nichtlizenziertem Material. Bei Privatverkäufen, zum Beispiel im Rahmen eines Bring-&-Buy-Standes oder eines Flohmarktes ist es sogar für die jeweilige Conleitung ausgesprochen schwer, alle Bootlegs zu erkennen und aus dem Verkehr zu ziehen. Noch riskanter ist der Einkauf im Internet: Bei Internet-Auktionen ist es mittlerweile eine beinahe hoffnungslose Aufgabe, unter den Angeboten ein Original zu finden. Teilweise werden dort sogar Bilder von legitimen Releases verwendet und lediglich erwähnt, daß es sich um eine produktähnliche Abbildung handelt. Relativ sicher vor Bootlegs ist man bei großen, namhaften Versendern aus den USA, Kanada, Großbritannien und Deutschland, da sie sich sowas aus Imagegründen nicht leisten können. Auch mehrere kleine und mittlere Läden vertreiben aus Berufsethos keine Bootlegs, aber leider gibt es auch schwarze Schafe, hier sollte man immer aufmerksam sein.
Kennzeichen legaler und illegaler Releases
Jede korrekt lizenzierte Fassung muß einen Verweis auf den Original-Lizenzgeber besitzen, also im Fall von Anime meist eine japanische Firma, die Hauptrechteinhaber des Soundtracks oder des Filmes ist. Dieser Hinweis beginnt immer mit einem © oder ? und sollte sowohl auf der Verpackung als auch auf dem Medium selbst zu finden sein. Manchmal wird auch nur „c“ und „p“ statt © oder ? geschrieben. Wenn dieses Merkmal nicht existiert, handelt es sich mit recht großer Sicherheit um eine unlizenzierte Kopie. Manche Bootlegger nennen sich selbst als allgemeinen Rechteinhaber und sogar als Produzent! Unbekannte Label: Ein unbekanntes Label ist zwar in Anbetracht der großen Anzahl von Labels alleine noch kein Beweis, es kann jedoch ein Hinweis auf ein Bootleg sein, wenn unter einem bislang unbekannten Namen von einer anderen Firma lizenziertes Material herausgebracht wird. Sehr niedriger Preis: Auch ein sehr niedriger Preis für eine komplette Serie, gekoppelt mit einer ungewöhnlich niedrigen Anzahl an DVDs (z.B. weniger als vier DVDs für eine 26teilige TV-Serie) kann ein Alarmzeichen sein. Sollte so eine Box nicht das Label eines bekannten Distributors aufweisen, handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Raubkopie. Leider ist der niedrige Preis kein besonders verläßliches Zeichen: Manche Händler erhöhen einfach den Preis, um eine noch unverschämtere Gewinnspanne zu erzielen. DVD Ländercode: Während es früher relativ normal war, wenn eine DVD Ländercode 0 oder ALL aufwies, kommt dies heutzutage praktisch nur noch bei Hentais vor. Eine neue Serie, die keinen Regioncode aufweist, ist wahrscheinlich ein Bootleg. Chinesische und englische Untertitel auf einer DVD: Da die meisten Anime Bootlegs aus dem chinesisch sprechenden Bereich stammen, tragen sie häufig chinesische Untertitel. Wenn die DVD dabei auch englische Untertitel aufweist, sollten alle Alarmglocken klingeln.
Fansubs und Importe
Bekanntlich ist im Anime-Bereich auch der Direktimport aus anderen Ländern allgemein üblich. Doch wie sieht eigentlich deren rechtlicher Status aus? Das hängt zum einen von der Region ab, aus der man importiert: So handelt es sich bei vielen DVDs aus dem ostasiatischen (mit Ausnahme von Japan) und osteuropäischen Bereich leider um Bootlegs; es gibt dort zwar auch vereinzelte Versuche für ordentlich lizenzierte Titel, diese haben aber häufig kaum eine Chance gegen die heimischen Bootlegs. CDs und DVDs von Firmen aus den USA, Großbritannien, Japan oder Australien sind in der Regel korrekt lizenziert und können im allgemeinen auch problemlos importiert werden. Der Kunde muß höchstens die Nachzahlung von Zoll und Mehrwertsteuer „befürchten“, auch an Erwachsene gerichtete Anime werden meist nicht einbehalten, im Gegensatz zu echten Pornos oder manchen Horrorfilmen. Probleme kann es geben, wenn man versucht, diese Titel öffentlich (zum Beispiel per eBay) zu verkaufen: Ein deutscher Lizenzinhaber kann darin eine Verletzung seines Exklusiv-Vertriebsrechts (das er mit der Lizenz erworben hat) sehen und entsprechend dagegen vorgehen. Von Anime-Rechteinhabern sind derartige Praktiken zwar bislang nicht bekannt, größere Firmen sind darin, vor allem durch die GVU, jedoch sehr aktiv gewesen. Fansubs sind im Gegesatz dazu noch nie lizenziert worden und daher rein rechtlich den Bootlegs gleichwertig. Doch da mit ihnen lange Zeit kein finanzieller Schaden angerichtet wurde, sie der Förderung des amerikanischen Animemarktes dienten und die meisten US-Distributoren selbst dieser Szene entstammen, wurden sie lange Zeit geduldet, obwohl es schon früh kritische Stimmen aus Japan gab. Die immer weitere Verbreitung von Fansubs durch das Internet und die Veröffentlichungen einiger Fansubber-Gruppen auch nach Bekanntgabe der Lizenzierung sorgten jedoch in letzter Zeit für eine deutliche Abkühlung im Verhältnis zu den Fansub produzierenden Gruppen. Da gleichzeitig der US-Markt auch für die japanischen Anime-Produzenten eine immer größere Bedeutung gewinnt, zeigt man auch dort immer weniger Toleranz für diese illegalen Wettbewerber.
Wieso gerade jetzt?
Während in Japan der Markt bestenfalls stagniert, hat Anime in den USA eine große Bedeutung gewonnen und heute wird häufig genug über die Fortsetzung einer Serie erst entschieden, wenn Verkaufszahlen aus Amerika vorliegen. Dieser große Erfolg sorgte dafür, daß die US-Distributoren inzwischen auch im Soundtrack-, Manga- und sogar im Merchandising-Markt ein wachsendes Engagement zeigen. Bootlegs stellen damit für die amerikanischen und japanischen Firmen ein großes Problem dar, ein verstärktes Vorgehen gegen Bootlegs und auch Fansubs im Internet und auf Conventions ist bereits von mehreren Seiten angekündigt worden. Auch in Deutschland hat der Anime-Markt etwas vom Manga-Boom profitieren können und inzwischen gibt es sogar ernsthafte Versuche, in Deutschland mit Anime-Soundtracks Geld zu verdienen. Doch Bootlegs können diese zaghaften Ansätze zunichte machen.
Legale Label (Auswahl):
Im folgenden eine Sammlung von legalen Labels.
ADV
ANEntertainment
AnimEigo
Anime House
Anime 18
Anime Virtual
AnimeWorks
AV2
Bandai Entertainment
CPM (Central Park Media)
Critical Point
FUNimation
Gainax
Geneon
Ikasu
Kaze
NuTech
Odex
OVA Films
Panini Video
Pioneer
polyband
Production I.G.
Software Sculptors
Synch-Point
TriMax
TRSI – The Right Stuf International
universum film
Urban Vision
U.S. Manga
Aber DVDs dieser Firmen werden zu Bootlegs, wenn man es mit fotokopierten Covern zu tun hat. Dann will jemand mit Kopien den schnellen Euro machen!
Verbreitete Bootleg-Labels:
(ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
Anime DVDs:
Animation (Japan) International
Anime Cartoon (International)
Anime Studio
Another DVD Company
Digital International
DVD Ani ¹
Fx
Indian International
K
MAC (Manga Anime Cartoon)
Manga International
Video Animation
¹ Bei DVD Ani ist der Fall etwas komplizierter: Die Firma besitzt die Rechte für die meisten ihrer Animetitel, jedoch nicht die Rechte an den englischen Tonspuren und Untertiteln, die auf den DVDs enthalten sind. Zudem soll bei weiteren Titeln die Rechtslage unklar bzw. problematisch sein.
Anime CDs:
SonMay (SM Records)
EverAnime
Yuanding/TopCircle
Smile Face/Smiley Face
Wisdom Records
Weblinks:
http://www.otakunews.com/piratefaq.php Pirate-FAQ (englisch)
http://www.digital.anime.org.uk/piratefaq_de.html Pirate-FAQ (deutsche Übersetzung, Link ist leider nicht mehr gültig)
http://www.groberunfug.de/unfug/unfugtexte/bootleg_cd_dvd_infos.htm Liste von Bootleg-Logos, Link ist leider nicht mehr gültig)
KIRINO Natsuo – Die Umarmung des Todes
Autor: Arne Beutell
Artikel erschienen in: FUNime Nr. 42, Seite 28, Juni 2005
Die Umarmung des Todes – Ein japanischer Krimi mit und ohne Spannung und viel und wenig Blut und viel und vieler geistiger… Andersartigkeit
Es ist ein Ding mit Spontankäufen, sie können ungemein gut sein oder tierisch daneben. Dieses Buch war bei mir einer dieser Käufe. Vom Cover war es nicht abstoßend, es zeigt einen leicht verhüllten, mit einem Drachen tätowierten Busen, und der Klappentext las sich auch nicht so schlecht, wenn auch nicht gerade herausragend.
Doch zur Handlung: Im Buch wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, zumeist Frauen, die während der Nachtschicht in einer Lunchfabrik arbeiten. Man kennt sich etwas, wie es unter Kollegen halt üblich ist, ist aber zugleich nicht darauf erpicht, mit allen per du zu sein. Doch auf einer gewissen Ebene schweißt einen die Arbeit und das gemeinsame Leid der Nachtschicht zusammen. So kommt es, dass, als eine von ihnen ein Verbrechen begeht, zur Vertuschung zwar nicht selbstverständlich und freiwillig, doch aber immerhin aus Freundschaft und finanziellem Beitrag die Leidensgenossinnen zur Hilfe kommen.
Doch wie bei Menschen üblich werden Fehler begangen, und so kommt es fast zur Entlarvung der Verbrecherinnen und des Zweckbündnisses. Und wie es weitergeht, lest selbst… Bevor es weitergeht, eine Warnung: LEST NICHT DEN KLAPPENTEXT! In ihm wird bereits gut ein Drittel des Buches vorweggenommen.
Die Handlung baut sich relativ langsam auf, es vergehen einige Seiten, ehe es zu einem ersten Höhepunkt, dem Verbrechen kommt. Und auch danach kommt es nicht sofort, wie man es mitunter von anderen Krimis gewohnt ist: Schlag um Schlag und die Akteure laufen dem Verbrechen nur noch hinterher. Nein, die Handlung wird ruhig weitererzählt und die Autorin legt mitunter einen neuen Handlungsstrang, den sie erst später zur Hauptgeschichte führen wird.
Erst das letzte Drittel des Buches gestaltet sich meiner Meinung nach als fesselnd, wobei trotzdem nicht die losen Handlungsfäden oder Charakterisierung der Figuren unterschlagen werden. Die Spannung dient nicht dem Selbstzweck, sondern dem Vertiefen der Personen. Bis zum Schluss, fast bis zur letzten Seite, geht der letzte finale Akt. Dem folgenden Leben der Hauptpersonen wird im Anschluss nur sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt, so dass man mit den Gedanken, die zum Schluss aufkommen, in Ruhe spielen kann, ohne sich von den Nachgeschichten ablenken lassen zu müssen.
Zu den Charakteren selbst: Kirino gelingt es sehr gut, einen langsamen Einstieg ins Geschehen und in die Charaktere zu schaffen, so dass man ihre späteren Handlungen nachvollziehen kann. Ihre Gedanken über sich und andere werden ebenso beleuchtet wie die Sicht anderer auf diese Menschen. Zugleich beschränkt sich die Charakterisierung nicht auf die Hauptpersonen, sondern weitet sich auch auf die Nebenspieler aus, die nur am Rande vorkommen. Alle werden zwar zumeist immer durch eine persönliche Sicht des derzeitigen Handlungsträgers dargestellt, aber durch die guten Charakterisierungen kann man sich gut vorstellen, wie und warum die meisten Personen so denken und handeln, wie sie es tun.
Den Orten ergeht es kläglicher. Die Autorin gönnt ihnen meistens nur einen kurzen Augenblick der Aufmerksamkeit, ehe sie sich wieder dem Seelenleben und den Meinungen der Handelnden zuwendet. Wird ein Ort wiederholt ins Geschehen eingebunden, so wird trotzdem nur ein kurzer Abriss gegeben, so dass man sich relativ frei vorstellen kann, wie die Umgebung aussieht. Außerdem charakterisiert Kirino die Örtlichkeiten hauptsächlich durch wertende Worte ohne präzise Angaben.
Zum Schreibstil… er ist persönlich das größte Manko des Buches. Ich kann jetzt nicht beurteilen, inwiefern die Übersetzerin Annelie Ortmanns da die Schuld zuzuschreiben ist, aber die Personen sprechen überzeichnet und zickig, die Sätze sind zumeist kurz und simpel ohne größere Verständnisanforderungen zu lesen. Persönlich hat es mich an einen mittelmäßigen bis schlechten Fanfic-Autor erinnert. Schön ist aber, dass klärende Fußnoten zu japanischen Besonderheiten vorhanden sind, so dass sich das europäische Durchschnittsgehirn eher ein Bild machen kann, wie man sich gewisse Dinge vorzustellen hat.
Als Fazit muss ich leider feststellen: Wer auf Krimis steht, für den ist das Buch Durchschnittsware. Wer es mit seelischen und morbiden Abgründen hat, dem kann ich das Buch empfehlen, da man ohne Probleme die langweiligen Passagen (anfangs recht viele) überspringen kann, ohne handlungsmäßig große Einbußen fahren zu müssen. Rhetorikfans sollten allerdings tunlichst die Finger davon lassen, denen würden von dem Buch die Ohren (bzw. Augen) bluten.
Die Umarmung des Todes
Originaltitel: Out
Autor: KIRINO Natsuo
Verlag: Goldmann
Übersetzer: Annelie Ortmanns
Deutsche Erstausgabe
Version: Hardcover
Umfang: 608 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 3-442-30917-4
Preis: 23,90 EUR
Version: Taschenbuch / Softcover
ISBN: 3-442-45852-8
Preis: 9,95 EUR
Link: www.kirino-natsuo.com